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Todeszauber

Todeszauber

Titel: Todeszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Würth
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Mädchen meiner Träume zu einem Rendezvous hatte überreden wollen.
    »Du hier?«, sagte ich mit heiserer Stimme. Eine intellektuelle Leistung, für die ich mich am liebsten geohrfeigt hätte.
    Pia genoss meine Unsicherheit. Immerhin. Sie hätte mir auch den Mittelfinger zeigen oder das Knie in den Unterleib rammen können. Doch sie zog es vor, mich mit der Faszination eines Naturforschers zu betrachten, der gerade eine neue Spezies entdeckt hat.
    »Du bist in meiner Stadt, Georg. Ich lebe hier.«
    »Und du tanzt Salsa. Das wusste ich gar nicht.« Wenigstens brachte ich wieder Sätze mit mehr als zwei Wörtern zustande. Für den Anfang nicht schlecht.
    »Du weißt vieles nicht.«
    Ich nickte, als hätte sie mir ein Geheimnis anvertraut. »Ich …«
    »Versuch es gar nicht erst! Ich will deine Ausreden nicht hören.« Ihre Stimme zitterte ein wenig. Vor Wut. Die eiskalte Gleichgültigkeit war also nur gespielt.
    Sofort hatte ich wieder das Bild vor Augen. Als sie vor meiner Tür stand und mir klar wurde, dass ich es vermasselt hatte. Ganz und gar. Unverzeihlich.
    »Pia, ich war ein Idiot.«
    »Da hast du völlig recht.«
    »Ich wollte die ganze Zeit mit dir darüber reden.«
    »Tatsächlich?«
    »Können wir nicht …«
    »Was?«, fuhr sie mich an. »So tun, als ob nichts passiert wäre? Da weitermachen, wo wir aufgehört haben? Sag mal, Georg, hast du den Knall nicht gehört? Oder hast du gerade keine Braut am Start …?«
    »Ich bin wegen eines Jobs hier.«
    Sie stieß Luft durch die Nase aus. »Warum auch hättest du sonst aus deinem beschaulichen Münster rauskommen sollen?«
    Der DJ drehte die Lautstärke höher. »Ich dachte, wir … ich meine, du … weil ich mich in Hamburg nicht auskenne …«
    »Dann kauf dir einen Stadtplan.«
    »Es ist so laut«, brüllte ich. »Gibt es keine nette Bar in der Nähe, in der wir …«
    Pia machte mit dem Zeigefinger eine kreisende Bewegung vor ihrem Ohr. »Ich verstehe dich nicht.«
    »… in Ruhe reden …«
    Pia griff nach meinem Arm. »Hier wird getanzt, nicht geredet.«
    »Ich kann nicht Salsa tanzen.«
    »Macht nichts.« Sie zog mich auf die Tanzfläche. »Ich zeig’s dir.«
    »Aber …«
    Ich spürte ihre andere Hand auf der Schulter. Sie drehte sich und bewegte ihre Beine so schnell, dass ich mir vorkam wie ein tapsiger Tanzbär in der Manege. Die Schöne und der Trottel. Klar, dass uns alle anstarrten. Ebenso klar, dass Pia mich vorführen, mich vor aller Augen lächerlich machen wollte. Ein Albtraum.
    Während ich noch überlegte, ob ich flüchten oder mich weiter zum Narren machen sollte, hatte sie mich in eine Linksdrehung bugsiert. Ich stolperte über ihren Fuß. Plötzlich ließ sie mich los, ich taumelte in ein elegant gekleidetes Latino-Paar hinein, das auf meine gemurmelte Entschuldigung mit mitleidiger Überheblichkeit reagierte. Als ich mich umdrehte, war Pia verschwunden. Ich schlich von der Tanzfläche und schaute mich um. Vor dem Ausgang tauchte für einen Moment ihr Hinterkopf in der Menschenmenge auf. Noch vor fünf Minuten wäre ich ihr nachgelaufen, hätte einen letzten Versuch unternommen, sie umzustimmen. Doch jetzt hatte ich keine Lust mehr. Es war aus. Vorbei. Endgültig.
    »Probleme?« Ein Bodybuilder im Sweatshirt drückte die Brust raus. Vermutlich der Rausschmeißer.
    »Nein.«
    »Möchten Sie lieber gehen?«
    »Nein. Ich will mich betrinken.«
    Ich spürte einen sanften Druck auf der Schulter. »Wir wollen hier keinen Ärger.«
    »Ich auch nicht. Ich werde mich ganz still betrinken. Versprochen.«
    Er hielt mich fest. »Ich behalte Sie im Auge.«
    Ich schüttelte seine Hand ab und grinste. »Meinetwegen.« Dann ging ich zur Theke. Die Barfrau tat so, als hätte sie nichts mitbekommen. Vielleicht war sie auch zu beschäftigt, um sich über Leute wie mich Gedanken zu machen. Ich bestellte einen Caipirinha. Er schmeckte richtig, nicht zu süß und nicht zu sauer. Und mit genug Limetten, deren Geschmack den Alkohol überdeckte.
    Ich stellte das leere Glas auf die Theke. »Noch einen!«
    Ein knappes Nicken war die Antwort.
    »Kannten Sie Isabel Ortega?«
    Die Barkeeperin strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Wen?«
    »Die Frau, die ermordet worden ist. Sie hat hier als Tanzlehrerin gearbeitet.«
    »Tut mir leid, ich muss arbeiten.«
    Niemand im Cucaracha wollte mit mir reden. Der Geschäftsführer nicht, Isabels Kolleginnen nicht. Und Pia schon gar nicht. Dem Geschäftsführer schien das Thema peinlich zu sein. Und die anderen wussten

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