Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todeszauber

Todeszauber

Titel: Todeszauber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Würth
Vom Netzwerk:
weggelaufen bist, da …«
    »Da warst du völlig überfordert«, stelle ich fest. »Und wie ging es dann weiter mit euch beiden? Habt ihr euch gegenseitig getröstet und seid im Bett gelandet?«
    »Nein«, sagt er entrüstet. »Natürlich nicht. Was glaubst du eigentlich von mir?«
    »Nur das Allerschlechteste.«
    »Danke! Was hast du nur für ein Männerbild? Du erwartest immer das Schlimmste. Bei dir ist das Glas immer halb leer, nie halb voll.«
    »Ich habe so meine Erfahrungen gemacht«, erwidere ich. »Mit einem Mann, der mich so ziemlich mit jeder Frau betrogen hat, die blond, relativ jung, relativ hübsch und bei drei nicht auf den Bäumen war. So etwas prägt.«
    »Ich bin aber nicht dieser Mann. Ich bin anders.«
    »Das habe ich gesehen.«
    Unser Disput wird von der Kellnerin unterbrochen, die das Essen bringt. Fast zeitgleich greifen wir nach Messer und Gabel. Ich sehe Wilsberg an und deute auf seinen Fisch: »Da sind Gräten drin. Also pass auf. Münsteranern bleibt so etwas schon mal ganz gern im Hals stecken.«
    »Keine Angst«, sagt er. »Den Gefallen tue ich dir nicht.«
     
    Das Essen stimmt mich ein bisschen versöhnlicher. Und gibt mir Gelegenheit nachzudenken. Über das, was Wilsberg von dieser angeblich uralten Bekannten erzählt hat. Vielleicht stimmt die Geschichte ja. Vielleicht hat diese Frau ihn wirklich in diese unmögliche Situation gedrängt. Vielleicht habe ich überreagiert. Vielleicht? Vielleicht aber auch nicht. Ich bin nicht wirklich von seiner Unschuld überzeugt, aber unsicher geworden.
     
    Nach dem Dessert bestellen wir zwei Espressi und ordern die Rechnung. Wir zahlen, jeder für sich. Verlassen das Lokal, laufen zur Elbchaussee hoch und stoppen dort ein Taxi. In der Husumer Straße steigt zu meiner Überraschung auch Wilsberg aus dem Wagen. Eigentlich habe ich angenommen, er würde sich zu seinem Hotel bringen lassen. Stattdessen folgt er mir zum Hauseingang, greift nach meiner Hand und versucht, mich an sich zu ziehen. Das geht mir zu schnell. Ich schiebe ihn ein Stück von mir weg.
    »Tschüss«, sage ich.
    »Tschüss«, antwortet er mit einem Gesichtsausdruck, dem die Enttäuschung deutlich anzusehen ist.
    Ich gebe ihm einen Kuss auf die Wange und gehe ins Haus. Ohne mich noch einmal umzudrehen. Kaum bin ich in meiner Wohnung, klingelt das Telefon.
    »Du wirst beobachtet«, flüstert Wilsberg.
    »Von wem?«, frage ich erschrocken.
    »Auf der gegenüberliegenden Seite steht ein Mann im Hauseingang, der ständig rüberschaut.«
    Ich stelle mich seitlich ans Fenster und spähe hinaus. Der Einzige, den ich sehe, ist mein Nachbar, Siegfried Rebbelmeier, der drüben die Luft mit seinem Zigarettenrauch verpestet.
    »Meinst du den Typen in dem grauen Mantel?«, flüstere auch ich jetzt.
    Wilsberg bejaht.
    »Der sieht wirklich nicht ganz koscher aus.« Ich muss mir ein Grinsen verkneifen. »Meinst du, Reichweiler hat mir den auf den Hals gehetzt?«, frage ich und versuche, meine Stimme möglichst ängstlich klingen zu lassen.
    »Könnte sein.«
    »Was schlägst du vor? Was soll ich machen?«
    »Solange der Typ da rumlungert, solltest du nicht allein sein. Ich könnte zu dir raufkommen. Wenn du möchtest.«
    »Das würdest du wirklich tun?«, frage ich und bin kurz davor loszulachen.
    »Ja, selbstverständlich.«
    Einen Augenblick bin ich unsicher, ob ich Ja oder Nein sagen soll. Doch dann entscheide ich mich, keine Spielverderberin zu sein. »Das wäre ganz lieb. Ich lass dich rein.«
    Während ich in den Flur zum Türöffner gehe, stelle ich mir vor, was Wilsberg wohl für ein Gesicht machen wird, wenn ich ihm heute Abend vorführe, wie einfach sich mein Sofa in eine Schlafcouch verwandeln lässt.

13
    Wilsberg geht die Luft aus
    Reichweilers Fratze wurde durch das Glas verzerrt. Er redete, aber ich verstand ihn nicht. Das Glas war zu dick. Und um mich herum Wasser. Ich steckte in einem riesigen Glasgefäß, das bis zum Rand mit Wasser gefüllt war. Die Oberfläche war ganz nah. Zehn Zentimeter, vielleicht zwanzig. Dort würde ich Luft bekommen. Ich wollte mich abstoßen, doch meine Füße klebten am Boden. Schwere eiserne Ketten hielten mich unten. Und meine Hände waren mit einem Seil auf dem Rücken gefesselt. Mal sehen, ob Sie so gut sind wie Houdini, hatte Reichweiler gesagt. Houdini, der große Entfesselungskünstler. Bestimmt beruhten seine Nummern auf Tricks. Meine Fesseln dagegen waren echt. Meine Atemnot war echt. Die Lunge brannte. Wie lange war ich schon unter Wasser?

Weitere Kostenlose Bücher