Todeszauber
kapituliere ich normalerweise«, erwidere ich und muss an Cornfeld denken, den ich mir genau aus diesem Grund schon seit Ewigkeiten vom Leib halte.
»Eine Differenz von bis zu zehn Jahren finde ich völlig okay«, sagt von Sandleben. »Schließlich leben Frauen sieben Jahre länger als Männer. So kann ich noch drei Jahre nach Ihrem Ableben auf den Putz zu hauen.«
»Das können Sie nicht«, erwidere ich. »Wenn Sie mit mir alt werden, haben Sie nach meinem Tod keine drei Jahre mehr. Da ist Ihr Akku längst leer.«
Von Sandleben lacht und fährt sich mit der Hand durch sein dichtes dunkles Haar. »Auch das schreckt mich nicht.«
Gott sei Dank unterbricht uns die Kellnerin, bevor er mich noch weiter in Verlegenheit bringen kann, und stellt zwei Teller mit herrlich duftenden Currywürsten vor uns ab.
Ich lege mir die Serviette auf die Beine und greife nach dem Besteck. »Es gibt noch ein Problem«, sage ich. » Ich muss manchmal lügen. Diese Ausrede haben Sie nicht.«
Das Lächeln auf seinem Gesicht erstirbt. »Wie meinen Sie das?«
Ich lege das Besteck beiseite, krame das fotokopierte Bild von Isabel und Reichweiler aus meiner Tasche und lege es neben seinen Teller.
»Noch einmal von vorne. Kennen Sie diese Frau?«
Er schüttelt den Kopf.
»Noch nie gesehen?«, hake ich nach.
»Nein. Mein Ehrenwort.«
»Wie kommt es dann, dass ich den Ohrring dieser Frau«, dabei klopfe ich mit dem Zeigefinger auf das Bild, »in Ihrem Haus gefunden habe?«
»In meinem Haus?«
»Im Abfluss des Waschbeckens auf der Damentoilette.«
»Warum erzählen Sie mir das erst jetzt?«
»Seien Sie froh, dass ich es Ihnen überhaupt erzähle.«
»Das verstehe ich nicht«, erwidert er und wirkt tatsächlich verunsichert. »Das verstehe ich wirklich nicht. Ich habe diese Frau noch nie gesehen.«
»Und wie kommt dann ihr Ohrring in Ihren Waschraum?«
Von Sandleben starrt vor sich auf den Tisch und schüttelt den Kopf. »Keine Ahnung.«
»Wer hat noch Zutritt zu Ihrem Haus?«
»Meine Haushälterin, mein Gärtner …«
»Freunde?«, frage ich. »Laden Sie oft Gäste ein?«
»Hin und wieder.«
»Was ist mit diesen Zauberfreunden, von denen Sie mir erzählt haben?«
Er greift erneut nach der Fotokopie. »Wir treffen uns nicht bei mir. Das haben wir noch nie getan.«
»Haben Sie irgendeine Idee, wie …«
»Ja«, sagt er, »vielleicht. Es gibt jemanden, der einen Schlüssel hat.«
In dem Moment fällt bei mir der Groschen. »Das ist Reichweiler, nicht wahr?«
»Ja. Wir sind nicht nur im selben Club, sondern schon lange sehr eng befreundet. Und da ich häufiger unterwegs bin, habe ich ihm meinen Hausschlüssel gegeben. Falls mal ein Wasserrohr bricht oder irgendetwas anderes passiert.«
»Kann es sein, dass Isabel Ortega im Hanse-Theater gearbeitet hat? Vielleicht sogar als Assistentin für die Mitglieder der Zauberloge?«, will ich wissen.
Er legt die Stirn in Falten. »Also das weiß ich nicht. Die Frauen, die da beschäftigt werden, treten unter einem Künstlernamen auf, sind meistens stark geschminkt und einige tragen auch Perücken. Ich kenne nicht alle …«
Er zieht einen Kugelschreiber aus seiner Jackeninnentasche. »Darf ich?«, fragt er, und bevor ich reagieren kann, beginnt er, Isabel auf dem Foto eine neue Frisur zu verpassen. Er malt ihr lange schwarze Haare.
»Wer besorgt diese Assistentinnen?«
»Reichweiler.«
»Und wie macht er das? Gibt er eine Anzeige im Hamburger Abendblatt auf?«
»Nein. Das geht über Mundpropaganda.«
»Dann wäre es doch gut möglich, dass er Isabel engagiert hat. Schließlich waren die beiden liiert.«
»Waren sie das?«, fragt er.
»Vielleicht waren Sie ja auch mit Isabel liiert?«, erwidere ich.
Von Sandleben lächelt kühl. »Da muss ich Sie enttäuschen. Ich kannte die Frau ja noch nicht einmal.« Prüfend hält er das Bild von sich weg und betrachtet sein Werk mit zusammengezogenen Augenbrauen.
»Geht es bei diesen Treffen wirklich nur ums Zaubern?«, frage ich. »Oder spielen auch sexuelle Interessen eine Rolle? Erst wird gezaubert und dann – na, Sie wissen schon.«
Von Sandleben schüttelt langsam den Kopf. »Also, bei uns geht es wirklich nur um die Magie. Ich kann natürlich nicht ausschließen, dass auch mal Telefonnummern getauscht werden und das eine oder andere Mitglied unseres Clubs eine der jungen Damen privat trifft. Aber das wäre dann eher die Ausnahme.« Er tippt auf das übermalte Bild. »Es kann sein, dass sie in unserem Club gearbeitet hat. Das
Weitere Kostenlose Bücher