Todeszauber
genau wie der See die Eingeborenen seit Jahr und Tag mit Nahrung versorgt hatte. Die ganze Verantwortung lag auf John Gordon. Er mußte nicht nur für seine Mutter sorgen, sondern auch für die Schwarzen, die ihn für mächtiger hielten als Nero, ihren Häuptling. Vom Seeufer herüber konnte er das Gekreisch ihrer spielenden Kinder hören, und als er sich der Arbeiterunterkunft näherte, vernahm er Akkordeonspiel, das durchaus nicht stümperhaft klang.
Er trat durch die Tür, und Jimmy Partner, der sofort zu spielen aufhörte, lächelte ihm entgegen.
»Hallo, Johnny Boss! Ein Ringkampf gefällig?«
»Ringkampf!« wiederholte Gordon ungeduldig. »Anscheinend hast du überhaupt nichts anderes im Kopf. Wenn ich dich nur ab und zu besiegen könnte, würdest du nicht dauernd davon sprechen.« Er lachte. »Wir könnten ja auch einmal boxen, dann würdest du dein blaues Wunder erleben!«
Die weißen Zähne blitzten. »Allerdings, Johnny Boss. Aber ein Glück, daß ich ein so guter Ringer bin, sonst könntest du deinen Kopf unter dem Arm tragen.«
Jimmy Partner lachte, es war ein kehliges, musikalisches Lachen. Er stellte sein Akkordeon auf dem Kaminsims ab und nahm die Ringerpose ein. Da er vor John Gordon nach Hause gekommen war, hatte er sich bereits gewaschen, trug nun eine saubere Hose aus Englischleder und ein weißes Tennishemd. Das sorgfältig frisierte Haar wurde von einem Mittelscheitel zerteilt, und das dunkelbraune Gesicht glänzte. Jimmy Partner war kein Riese, aber gut proportioniert und in der Vollkraft seiner Jahre. Langsam, mit federnden Schritten und angewinkelten Armen kam er auf John Gordon zu.
Der junge Mann verschwand blitzschnell durch die Tür und packte die Waschschüssel, die auf einer Kiste stand. Sie war noch angefüllt mit schmutzigem Waschwasser.
»Komm nur raus!« rief er.
Doch Jimmy Partner hütete sich. »O nein, Johnny Boss!« erwiderte er lachend. »Ich habe gerade ein sauberes Hemd angezogen, und das andere hängt gewaschen auf der Leine.«
»Na schön, also keine Dummheiten. Sonst …«
Vorsichtshalber nahm John Gordon die Waschschüssel mit und trat wieder ein. Jimmy Partner saß auf seinem Stuhl, das Akkordeon auf den Knien. Gordon setzte die Waschschüssel auf dem Tisch ab und nahm daneben Platz. Sein Gesicht wurde ernst.
»Was war mit den Fallen?« fragte er.
»Ich habe alle kontrolliert«, antwortete Jimmy. »Zwei waren zugeschnappt. In der Falle beim Schwarzen Tor war ein Dingo.«
»Gut! War er ganz reinrassig?«
»Nein. Es wird sehr trocken, Johnny Boss.«
»Allerdings. Sieht aus, als ob es ziemlich arg wird, bevor der Sommer zu Ende geht. Dann wirst du und deine Leute reicher sein als ich.«
»Keine Angst«, versicherte Jimmy Partner sofort. »Wenn du Geld brauchst, holst du es von meinem Konto. Du kannst auch das Geld des Stammes haben, wenn du es brauchst.«
»Hm! So weit wird es nicht kommen, Jimmy. Weißt du eigentlich, wieviel du auf der Bank hast?«
»Ungefähr hundert Pfund.«
»Hundertzweiundachtzig Pfund und zehn Shilling.«
»Die kannst du haben, Johnny Boss. Ich mochte lediglich noch ein anderes Hemd.«
»Aber Mutter hat dir doch erst in der vergangenen Woche Hemden gegeben. Wo sind die denn?«
»Nero brauchte zwei.«
Gordon runzelte die Stirn. »Du sollst deine Sachen behalten, Jimmy. Auf dem Konto des Stammes ist genügend Geld, um alle zu versorgen. Wenn ich auch das Geld für die Hundefelle einzahle, besitzen sie mehr als siebenhundert Pfund. Damit werden die Kalchut jede Dürreperiode überstehen.«
»Der Stamm hat alle Dürreperioden überstanden, bevor Opa Gordon kam, und damals hatten meine Leute kein Geld auf der Bank.«
»Unsinn! Die Zeiten haben sich geändert, Jimmy.«
Seit Jimmy Partner vor sieben Jahren das zwanzigste Lebensjahr erreicht hatte, war ihm der Lohn eines Landarbeiters gezahlt worden. Es war nicht leicht gewesen, ihn zu bewegen, einen Teil des Geldes auf die Bank zu bringen. Doch sobald die Pfunde auf dem Konto waren, blieben sie auch dort – dafür sorgten schon Mrs. Gordon und ihr Sohn.
Genauso kontrollierten sie das Konto der Kalchut. Das durch den Verkauf von Kaninchen- und Fuchsfellen erzielte Geld zahlten sie ein, das für die Anschaffung der bescheidenen Winterkleidung benötigte hoben sie ab. Die Kalchut hatten nie gebettelt, und in den letzten Jahren hatten sie am Meenasee eine reiche Pelzernte einbringen können.
»Hast du eigentlich Nero getroffen?« fragte Jimmy Partner.
»Nein, weshalb?«
»Er war vor
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