Todeszauber
kurz vor neun nach Hause, und nicht lange danach war ich ebenfalls da.«
»Und keiner von Ihnen hat an diesem Tag Anderson gesehen?«
»Nein.«
»Oder sein Pferd?«
»Nein. Aber wir waren einige Male in der Nähe des Grenzzaunes, da hätten wir ihn sehen müssen, wenn er gerade auf der anderen Seite entlanggeritten wäre.«
»Danke, Mr. Gordon. Nur noch eine Frage. Nachdem Sie sich von Jimmy Partner getrennt hatten – könnte er dann zum Zaun zurückgeritten sein und dort zufällig Anderson getroffen haben?«
Gordon errötete unmerklich, aber seine Stimme blieb fest. »Das hätte er gekonnt, aber er ist nicht zurückgeritten. Er hat die Schafherde, die ich ihm anvertraut hatte, fünf Meilen näher zum Meenasee getrieben. Ich weiß es, weil ich die Schafe am nächsten Morgen nach hier auf die Weide geholt habe. Ich fand sie fast genau an der Stelle, an der er sie verlassen haben wollte. Er hatte sich mit seinem Stamm auf Wanderschaft zum Deep Well begeben.«
»Danke.«
»Da wäre noch etwas. Als wir um drei Uhr zum erstenmal den Grenzzaun sahen, hätte Anderson das Gattertor erreicht haben und sich auf dem Weg nach Karwir befinden müssen. Ich habe mir oft überlegt, welchen Weg er genommen haben mag, aber um drei Uhr müßte er die Channels bereits hinter sich gelassen haben.«
»Wann haben Sie mit Ihrer Schafherde die Straße passiert?«
»Das kann ich leider nicht sagen, aber es wurde bereits dunkel.«
»Sie haben auf der Straße nicht zufällig frische Spuren gesehen, Pferd oder Auto?«
Zum erstenmal zögerte Gordon mit der Antwort. »Da können natürlich Spuren gewesen sein«, erwiderte er schließlich. »Es wurde aber bereits dunkel, und ich habe nicht weiter darauf geachtet. Trotzdem glaube ich, daß es mir aufgefallen wäre, denn an der Stelle, an der ich die Straße überquerte, ist sie sandig, und da wären mir frische Spuren bestimmt aufgefallen.«
Bony seufzte, denn in diesem Augenblick erschien Mary Gordon mit einem großen Tablett.
»Ich bin froh, daß wir den offiziellen Teil meines Besuches so rasch hinter uns gebracht haben. Und anstatt mich zum Teufel zu wünschen, Mrs. Gordon, sind Sie so liebenswürdig und bereiten Tee.«
»Ich glaube, ich würde sogar meinem größten Feind eine Tasse Tee anbieten«, erwiderte sie lächelnd. »Das ist schließlich alte, gute Buschsitte.«
»Da haben Sie allerdings recht, Mrs. Gordon. Wie sind Sie und Ihr Sohn eigentlich mit Jeffery Anderson ausgekommen?«
Ihre Stirn umwölkte sich, und die Augen ihres Sohnes funkelten hart.
»Wir haben nie etwas mit ihm zu tun gehabt, wenn man von zwei Gelegenheiten absieht, bei denen er unsere Leute verletzte«, antwortete John. »Ich meine unsere Schwarzen. Wir haben sie immer nur unsere Leute genannt, seit Großvater sich hier niederließ.«
»Erzählen Sie mir doch mal von Ihren Eingeborenen«, sagte Bony, nachdem ihm Tee und Kuchen serviert worden waren. »Und auch von Gordon I. und Gordon II.«
Die Frau blickte ihren Sohn an, und ihre Augen leuchteten. »Erzähle du, John. Du kannst das besser in Worte fassen als ich.«
»In diesem Punkt bin ich zwar nicht deiner Meinung, aber ich werde mein Bestes tun.« Gordon lächelte. »Allerdings haben weder meine Mutter noch ich Großvater Gordon gekannt. Aber Vater hat uns oft von ihm erzählt, so daß wir das Gefühl haben, ihn tatsächlich gekannt zu haben. Er war ein großer, vierschrötiger Schotte, der genau wußte, was er wollte. Lange, bevor er hierherkam, er war noch ein kleiner Junge, wurde er Augenzeuge, wie am Zusammenfluß von Darling River und Murray unter Eingeborenen ein Blutbad angerichtet wurde. Männer, Frauen und Kinder wurden niedergeschossen. Dabei bestand das ganze Verbrechen der Schwarzen darin, sich gegen die Wegnahme ihres Landes zu wehren. Gewiß, damals ging Gewalt vor Recht.
Großvater wuchs heran, entwickelte sich zu einem zähen, aber gerechten Mann. Als er hierherkam und den See entdeckte, an dem die Schwarzen lebten, sah er sofort, daß dieses Land für alle Raum und Nahrung bot. Er schloß Freundschaft mit ihnen, und das war nicht weiter schwer, denn sie hatten zuvor noch nie mit einem Weißen zu tun gehabt.
Natürlich gab es besonders am Anfang immer wieder einmal Unstimmigkeiten, aber Großvater griff nicht zum Gewehr, sondern sorgte mit seinen Fäusten für Ordnung. Glücklicherweise wurden die Kalchut von Häuptling Yama-Yama regiert. Er ist der Vater des jetzigen Häuptlings. Yama-Yama war ein intelligenter Mann, und er
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