Todeszauber
steile Falte bildete sich auf Bonys Stirn. Als der Zaun in Sicht kam, riß er das Pferd herum und schlug mehrere weite Kreise.
Auf die Baumstämme achtete er diesmal überhaupt nicht, konzentrierte sich ganz auf den Boden unterhalb des nickenden Kopfes seines Pferdes. Sollten ihm tatsächlich Eingeborene nachspionieren, bestand keine Hoffnung, sie zu Gesicht zu bekommen. Da entdeckte er neben einem Blatt eine kleine, schwarze Feder.
Ganz langsam stieg er vom Pferd, reckte sich, dann hockte er sich auf den Boden und drehte sich eine Zigarette. Die Feder lag direkt vor ihm. Während er die Zigarette anfertigte, konnte er die Brustfeder genau betrachten. Sie war nicht schwarz, sondern grau – die Brustfeder eines Vogels. Nachdem er die Zigarette angezündet hatte, nahm er einen Zweig und begann – offensichtlich gelangweilt – Bilder in den Sand zu ritzen. Als er mit seinem Stöckchen dicht an der Feder vorbeikam, ergriff er sie unauffällig. Bony hatte immer noch keine Ahnung, ob nicht vielleicht hinter dem nächsten Baum ein Späher stand.
Am Stiel der Feder entdeckte er einen dunkelroten Fleck.
Blut an einer Feder!
Die Stelle, an der Bony am Boden hockte, war drei Meilen von dem Blutgummibaum entfernt, unter dem sich Diana mit dem Unbekannten getroffen hatte. Dort waren von Eingeborenen, die sich mit Blut Federn an die Füße geklebt hatten, alle Spuren des Stelldicheins ausgelöscht worden. Es war unwahrscheinlich, daß eine dieser Federn vom Wind über eine derart große Strecke getragen worden war.
Die gefundene Feder ließ also den Schluß zu, daß der Schwarze, der sie verloren hatte, entweder sehr leichtsinnig war oder Bony gewaltig unterschätzte. Normalerweise achteten die Eingeborenen streng darauf, daß keine Federn zurückblieben, die einem aufmerksamen Beobachter ihre Anwesenheit verraten hätten.
Trotzdem genügte Bony diese eine Feder noch nicht als Beweis, daß ihn die Schwarzen nicht aus den Augen ließen. Er war zwar überzeugt davon, doch er wollte noch eine Bestätigung dafür haben.
Er saß wieder auf und ritt zum Gattertor an der Straße nach Opal Town. Zum erstenmal in seiner Laufbahn war er das Wild und nicht der Jäger. Mit größter Rücksichtslosigkeit hatte er die Verbrecher zur Strecke gebracht. Jetzt verfolgte man ihn mit der gleichen Rücksichtslosigkeit. Er hätte einen scharfen Galopp einschlagen und auf diese Weise den Verfolger abschütteln können. Aber der Eingeborene wäre ganz einfach den Spuren des Pferdes gefolgt und hätte aus ihnen ersehen, was Bony getan hatte. Außerdem bestand die Möglichkeit, daß er von mehreren Spionen beobachtet wurde, die sich über die ganze Gegend verteilten.
Wie jeder erfahrene Buschmann besaß Bony die Fähigkeit, alles zu registrieren, was seine Augen sahen, während sein Geist anderweitig beschäftigt war. So registrierte er auch, daß der weggeworfene Zigarettenstummel im Schatten eines dicken Büschels Stachelgras liegenblieb.
Warum ließen ihn die Schwarzen nicht aus den Augen? Geschah es im eigenen Interesse oder auf Weisung Dritter? Es gab doch kaum noch einen Zweifel, daß zwischen dem Verschwinden von Jeffery Anderson und der Spähertätigkeit der Schwarzen ein Zusammenhang bestand.
Nach seinem Besuch bei den Gordons war Bony überzeugt, daß weder Mutter noch Sohn dazu beitragen konnten, das Geheimnis um Anderson zu lüften. Gewiß, sie waren Idealisten, wollten den Stamm der Kalchut im ursprünglichen Zustand erhalten. Da war es natürlich möglich, daß sie gewisse Dinge nicht sahen, die einen anderen mißtrauisch machten. Die Frau kannte nur ihre begrenzte Welt hier im Busch, und der junge Mann hatte während seiner Schulzeit nicht viel Gelegenheit gehabt, seinen Horizont zu erweitern. Wie bei allen Idealisten würde ein durchtriebener Mensch leichtes Spiel mit ihnen haben, und niemand war wohl durchtriebener als ein Eingeborener, der mit der Zivilisation in Berührung gekommen war. Je länger Bony über alles nachdachte, um so mehr kam er zu der Überzeugung, daß es nicht John Gordon gewesen war, mit dem sich Diana Lacy am Grenzzaun getroffen hatte. Genauso gut konnte es ein Eingeborener von den Kalchut gewesen sein oder einer der Mackays von der Mount-Leser-Station. Und schließlich bestand auch noch die Möglichkeit, daß der Unbekannte aus Opal Town gekommen war. Fest stand lediglich, daß Bony nichts von dieser Begegnung erfahren sollte, deshalb hatte man alle Spuren vernichtet.
»Tja, meine liebe Kate«, sagte
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