Todeszauber
Kohlpalme auf einem leeren Benzinkanister. Als Blake ausstieg, stand er auf, ließ aus dem Eisentank Wasser ins Kochgeschirr laufen und stellte es auf das Lagerfeuer. Bony wirkte wie ein Greis. Seine Haltung war gebeugt, das Gesicht verzerrt, die Wangen eingefallen, die Augen stumpf, und um die Mundwinkel spielte ein starres Lächeln. Nur seine Stimme klang unverändert.
»Guten Tag, Sergeant«, sagte Bony. »Schön, daß Sie an diesem heißen Tag herauskommen.«
»Ach, die Hitze ist nicht so schlimm. Daran bin ich gewöhnt. Und wie fühlen Sie sich heute?«
»Nicht gut, Sergeant. Die Nacht war wieder schrecklich. Ich bin gerade aus einem unruhigen Schlaf aufgewacht. Ich bin jetzt sicher, daß Anderson ganz in der Nähe liegt. Wie ich Ihnen gestern schon sagte: ich muß nur noch das Grab finden, dann sind meine Ermittlungen abgeschlossen.«
»Gut! Dann werden wir nach dem Mittagessen in den Dünen weitergraben. Ich habe etwas Milch mitgebracht, und meine Frau meint, daß Ihnen ein Becher Kaffee guttun würde. Ob Sie wohl einen Bissen essen können? Wie war's mit einer schönen Scheibe mageren Schinken und etwas Blattsalat?«
»Ich kann nichts essen, Blake. Den Kaffee will ich versuchen. Bitte übermitteln Sie Ihrer Frau meinen Dank. Die Brandyflasche habe ich möglichst wenig angerührt, besonders während des Tages. Alkohol stimmt mich immer traurig. Das kann ich im Augenblick nicht brauchen.«
Blake erwärmte die Milch in einer Kasserolle.
»Heute vormittag rief mich der alte Lacy an«, berichtete er. »Er hat sich einen Telefonanschluß ans Bett legen lassen, damit er den Verwalter und seine Leute besser auf Trab halten kann. Ich wette, daß die Krankenschwester und seine Tochter es nicht leicht haben mit ihm.«
»Ein geduldiger Patient ist er bestimmt nicht. Was macht sein Bein?«
»Gott, da hilft nur Geduld. Alte Knochen heilen nicht so rasch. Er macht sich Sorgen um Sie. Anscheinend hat das Mädchen mit ihm über Sie gesprochen. Nun glaubt der alte Lacy, daß Sie nicht das Rückfallfieber haben, sondern daß man das Deutebein auf Sie gerichtet hat.«
»Was Sie nicht sagen!«
»Ja. Anscheinend haben Sie selbst Miss Lacy diese Idee in den Kopf gesetzt. Sie begegneten ihr an dem Tag, an dem sie in Meena war. Ich habe fast den Eindruck, daß sie etwas weiß.«
»Diesen Eindruck habe ich auch. Deshalb sagte ich ihr ja, daß ich das Gefühl hätte, das Deutebein sei auf mich gerichtet worden. Weshalb glauben Sie, daß sie Bescheid weiß?«
Blake berichtete von Dianas Besuch bei seiner Frau.
»Offensichtlich versuchte sie uns mit allen Mitteln einzureden, daß Sie sich hier in Ihrem einsamen Camp in größter Gefahr befinden. Ich sollte Ihre Krankheit unbedingt nach Brisbane, melden. Anscheinend gibt sie sich alle Mühe, Sie von hier wegzubringen. Nun hat sie ihren Vater bekniet, daß er nach Brisbane schreibt.«
»Das ist ja wohl der Gipfel«, rief Bony. »Ausgerechnet der Mann will dafür sorgen, daß ich hier wegkomme, der mich erst angefordert hat. Ich sehe Colonel Spendor direkt vor mir, wenn er den Brief vom alten Lacy erhält.« Bony lachte schallend. »Zum Teufel mit Bonaparte! Erst widersetzt er sich meinen Befehlen, und dann richten die Schwarzen auch noch das Deutebein auf ihn. Seine eigene Schuld! Er ist entlassen, und nun soll er sehen, wo er bleibt. Und diesem Lacy schreiben Sie: er habe ausdrücklich einen Kriminalbeamten angefordert, nun soll er ihn auch behalten! Ich wette, daß dies die Worte des Colonel sind, sobald er den Brief vom alten Lacy erhält.«
»Aber Miss Lacys Interesse an Ihnen zeigt doch –«
»Sie weiß, daß man das Deutebein auf mich gerichtet hat«, fuhr Bony fort. »Nun möchte sie mich mit allen Mitteln von hier wegbringen, denn sie fürchtet, daß ich den Fall doch noch kläre, bevor ich sterbe. Ich weiß genau, was mit Anderson geschehen ist, aber ich weiß noch nicht, was sie mit seiner Leiche gemacht haben. Ich bin einfach nicht in der Lage, logisch zu denken.«
Blake hatte den Kaffee aufgebrüht und stand auf.
»Ich glaube, es ist wohl etwas zuviel verlangt, hier im Busch eine Leiche zu finden, die man vor sechs Monaten begraben hat. Da wäre es ja geradezu ein Kinderspiel, die berühmte Stecknadel im Heuhaufen zu finden.«
»Es ist nicht schwerer, als wenn man diese Stecknadel mit einem Magneten sucht«, widersprach Bony. »Die Unberührtheit der Landschaft ist nicht ausschlaggebend. Auch nicht die Zeit, die seit dem Verschwinden von Anderson vergangen
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