Todeszauber
schnell.«
»Die Kaninchen verschwinden?«
»Ganz recht, Missis. Gehen Wanderschaft. Fast keine Karnickel mehr in Meenasee. Sie kommen und sehen?«
Mary warf einen prüfenden Blick zum Herd, band die Schürze ab und warf sie auf die Couch. Dann eilte sie Wandin nach. Er führte sie zu den zweihundert Meter südlich des Hauses gelegenen Dünen.
Die Sonne brannte auf den ausgetrockneten See, warf harte Schatten in die Mulden zwischen den Dünen. Weitere hundert Meter südlich ging der Baumgürtel zu Ende, Mary und Wandin hatten vom Süden bis zum Nordosten einen ungehinderten Blick. Aus Südosten wehte ein kühler, würziger Wind.
»Da, Missis!« rief Wandin. »Karnickel gehen auf Wanderschaft. Sehen dieses da!«
Er zeigte auf ein Kaninchen, das keinen Meter entfernt vorüberlief. Es verriet keinerlei Scheu, schien die beiden Menschen überhaupt nicht zu bemerken. Es rannte den steilen Abhang hinab, erklomm den gegenüberliegenden Hang.
Andere liefen in der gleichen Richtung, aber die Art, wie sie sich fortbewegten, war anomal. Normalerweise rannte ein Kaninchen, selbst wenn es hungrig war, nur eine kurze Strecke, um dann aufrecht sitzend in alle Richtungen zu äugen. Diese Tiere aber rannten, ohne zu halten, zeigten nicht die geringste Furcht, weder vor den Menschen noch vor den Aasvögeln, die über ihnen kreisten.
Auch die Vögel hatten bemerkt, daß hier etwas Ungewöhnliches vorging. In den letzten Monaten hatten sich Krähen und Adler enorm vermehrt. Die Krähen stießen heisere Schreie aus, die Adler segelten im Gleitflug zum Teil dicht über dem Boden dahin.
Gebannt betrachtete Mary dieses Schauspiel. Wohin sie auch blickte, überall sah sie Kaninchen. Sie durchquerten den See, rannten an ihr vorbei nach Südosten. Es wehte ein seltsam würziger Wind.
»Bald keine Karnickel mehr in Meena«, prophezeite Wandin. »Nach Regen viel Futter. Karnickel schon lange nicht mehr so fett wie dieses Jahr.«
Mary vergaß, daß das Abendessen auf dem Herd stand. Als sie zum Meenasee zurückblickte, hing die Sonne bereits tief über den rauchblau schimmernden Bergen. Über dem Bett des Sees schwebte, in der Sonne rötlich leuchtend, ein dichter Staubschleier, der von den Kaninchen aufgewirbelt wurde.
Wandin machte Mary auf einen Reiter aufmerksam, der sich im Galopp von Süden näherte. Obwohl er eine Meile entfernt war, erkannte sie sofort ihren Sohn. Sie dachte an das Abendessen, vermochte sich aber von dem großartigen Schauspiel nicht loszureißen. Sie hörte die aufgeregten Rufe der Eingeborenen und Kinder, die immer wieder von dem heiseren Kreischen der Krähen übertönt wurden. Ein Kaninchen huschte so nahe vorbei, daß Wandin mit dem Fuß danach stoßen konnte. Es rollte, sich mehrmals überschlagend, den Hang hinab und lief weiter, als sei überhaupt nichts geschehen.
»Blackfeller morgen vielleicht auch auf Wanderschaft«, sagte Wandin. »Blackfeller wie Karnickel. Zu lange an einem Ort nix gut. Wenn kleiner Wind kommen, er gehen. Johnny Boss hat Jimmy Partner und Abie im Busch gelassen. Johnny Boss große Eile. Warum?«
Als sich John Gordon auf hundert Meter genähert hatte, winkte ihn Mary heran. John mußte sehr schnell geritten sein, denn um das Maul des Pferdes flockte Schaum. Mary bemerkte seinen wütenden Gesichtsausdruck. Im nächsten Augenblick sprang er aus dem Sattel, warf dem Tier die Zügel über den Rücken. Das Pferd wieherte und trottete zum Wassertrog.
»Die Kaninchen verschwinden!« rief Mary aufgeregt.
John streifte sie mit einem kurzen Blick, und sie wich unwillkürlich einen Schritt zurück. Dann wandte er sich an Wandin.
»Hast du und Nero auf den Polizeimann aus der Stadt das Deutebein gerichtet?«
»Ja, Johnny Boss«, erwiderte Wandin ohne Zögern. »Er finden zuviel –«
In diesem Augenblick traf ihn die geballte Faust am Kinn, Wandin drehte sich um und fiel nach vorn.
Mary stand unbeweglich, die verarbeiteten Hände auf den Mund gepreßt. Gordon nickte ihr zu, das Gesicht zu einem schrecklichen Grinsen verzerrt, dann rannte er die Düne hinab und verschwand hinter dem Haus.
»Warum Johnny Boss das tun, Missis?« stöhnte Wandin und stand unsicher auf.
Gordon rannte zum Gartentor, sprang mit einem Satz darüber hinweg und folgte dem gewundenen Pfad zum Eingeborenencamp. Es lag verlassen da, seine Bewohner beobachteten den Abzug der Kaninchen. Gordon eilte weiter am Seeufer entlang und stieß kurz danach auf Nero. Der Häuptling hockte regungslos vor einem kleinen
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