Todeszeichen: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
fürchte, daran wird sich kaum etwas ändern«, hatte Jennifer trotzig erwidert.
Ihr Chef hatte genickt. »Doch, daran wird sich etwas ändern.«
In diesem Moment hatten ihre Alarmglocken ernstlich zu schrillen begonnen. Ihr Vorgesetzter war plötzlich vollkommen ruhig geworden und hatte gefragt: »Erinnern Sie sich noch an die Anfrage aus Lemanshain von vor zwei Monaten?«
Jennifer hatte kaum noch den Mund aufbekommen. »Ja.«
»Die wollen Sie haben, Jennifer. Sie haben gestern ein Angebot geschickt.«
»Ich habe Ihnen bereits bei deren erster Anfrage gesagt, was ich davon halte.«
»Und ich sage Ihnen, das ist mir egal.«
»Was soll das heißen? Dass Sie mir nahelegen, das Angebot anzunehmen?«
»Ja.« Keine Erklärung, keine Begründung. Einfach nur dieses eine endgültige Wort.
»Das kann nicht Ihr Ernst sein.« Jennifers Verblüffung war schnell ihrem Zorn gewichen. »Lemanshain ist ein reiches Provinzkaff, das mich wegen meiner Aufklärungsquote als Aushängeschild will. In welchen Fällen werde ich dort ermitteln? Weil irgendein Kleinkind einem anderen im Sandkasten die Schaufel übergezogen hat?«
Ihr Chef hatte die Schultern gezuckt. »Schon möglich. Wenigstens werden Sie dort zur Ruhe kommen. Zwangsweise.«
»Vergessen Sie’s. Niemals.«
»Sind Sie sicher? Vielleicht sollten Sie sich erst einmal Ihre Wahlmöglichkeiten anhören.«
»Wahlmöglichkeiten?« Sie hatte das Wort kaum aussprechen können.
»Ich habe es im Guten versucht. Sie lassen mir keine andere Wahl. Entweder Sie stimmen Ihrer Versetzung nach Lemanshain zu … oder ich nehme Sie für unbestimmte Zeit aus dem aktiven Außendienst.«
Sie hatte sagen wollen, dass er das nicht tun könne. Doch die einfache Wahrheit war, dass er es konnte. Und es tun würde. »Für wie lange?«
»Diese Frage können Sie sich selbst beantworten. Wie viele Kollegen kennen Sie, die es vom Schreibtisch zurück nach draußen geschafft haben?«
Null. Nullkommanull. »Das ist ein Abstellgleis. Beide Optionen sind ein Abstellgleis.«
Er hatte den Kopf geschüttelt. »Lemanshain nicht. Gehen Sie dorthin, drei oder vier Jahre lang, und wenn Sie zur KHK befördert worden sind, rufen Sie mich an. Dann nehme ich Sie zurück.«
»Nach dieser Aktion werde ich darauf sicherlich verzichten.«
»Ich kann Ihre Wut nachvollziehen.« Er hatte bedauernd den Kopf geschüttelt. »Aber ich hoffe, dass Sie irgendwann verstehen werden, warum ich das tun muss.«
Jennifer hatte ihm daraufhin über eine Minute lang schweigend gegenübergesessen und über ihre Optionen nachgedacht, ohne jedoch einen Ausweg zu finden. Sie stand kurz davor, zu betteln, Besserung zu geloben, in den Urlaub zu fahren, noch einmal mit der Psychologin zu sprechen – doch ihr Stolz obsiegte. »Ich hoffe, Sie haben denen in Lemanshain wenigstens ehrlich gesagt, was sie bekommen werden.«
»Ich denke schon. Eine ausgezeichnete Kommissarin, die sich nicht unbedingt an alle Vorschriften hält und unausstehlich sein kann, die die Ehre der Anfrage einer Stadt wie Lemanshain aber zu schätzen weiß.«
Jennifer hatte sich auf die Zunge beißen müssen, um ihm nicht deutlich zu sagen, was sie von ihm hielt. Auch wenn er ihr das vermutlich in dieser Situation nicht einmal angelastet hätte.
Sie hatte keine andere Wahl gehabt, als ihrer Versetzung zuzustimmen. Das war die bittere Wahrheit, die sie nicht einmal Marcel anvertraut hatte.
Und sie war noch immer wütend auf ihren ehemaligen Vorgesetzten, auf die Art und Weise, wie er sie auf einen Posten abgeschoben hatte, auf dem sie sich für einige Monate mit pünktlichem Feierabend, ein paar Körperverletzungen und ansonsten Ruhe und Frieden hatte arrangieren müssen. Das war ihr letztlich sogar einigermaßen gelungen, auch wenn sie nicht behaupten konnte, wirklich glücklich mit der Situation gewesen zu sein.
Und dann war der »Künstler« aktiv geworden. Jennifer war von einem zum anderen Tag wieder in ihrem Element gewesen. Es machte ihr nichts aus, lange zu arbeiten, ihre Wochenenden und ihr ohnehin nicht vorhandenes Privatleben zu opfern. Nicht einmal, dass Kai auf der Opferliste immer weiter nach oben rückte, störte sie.
Ein kleiner, leiser Zweifel in ihrem Kopf war trotzdem geblieben. Tief in ihrem Inneren wusste Jennifer, dass ihr ehemaliger Chef recht hatte, zumindest teilweise. Doch sie war noch immer nicht bereit, den Ursachen auf den Grund zu gehen.
Deshalb hatte sie Katia auch nie die Wahrheit erzählt, sich nie für die Offenheit ihrer
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