Todeszeichen: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
wirken.
»Ja, das haben Sie richtig verstanden«, erwiderte der Staatsanwalt schließlich.
Der Abgesandte des Bürgermeisters stieß ein verärgertes Seufzen aus und schüttelte den Kopf. »Das heißt, Sie tappen nach wie vor im Dunkeln. Und mit dieser Information soll ich ins Rathaus zurückkehren?«
Jennifer blinzelte in die sie blendende Morgensonne und biss die Zähne aufeinander. Sie wusste, welche Litanei ihnen jetzt bevorstand, denn sie hörte sie nicht zum ersten Mal.
»Ihnen scheint nicht ganz klar zu sein, wie sehr wir auf Ergebnisse in diesem Fall angewiesen sind. Ist Ihnen überhaupt bewusst, was es bedeuten würde, wenn die nationale Presse von unserem klitzekleinen Problemchen noch einmal Wind bekommt und die Sache aufbauscht?«
Der Mann, der sich ihnen als Dr. jur. Dr. phil. Alexander Schäffer vorgestellt hatte, faltete die Hände auf dem Tisch und beugte sich vor. »Jeden Tag rufen der Universitätspräsident und der Schulleiter beim Bürgermeister an und fordern Resultate.«
Er brauchte nicht zu erwähnen, dass er die privaten Institutionen meinte. Die öffentlichen Bildungseinrichtungen brachten der Stadt schließlich kein Geld. »Sie können sich hoffentlich ausmalen, was es für den Ruf unserer Stadt bedeutet, wenn die breite Öffentlichkeit darauf aufmerksam wird, dass da draußen noch immer ein Serienkiller frei herumläuft und unsere Kripo bisher nicht den kleinsten Ermittlungserfolg vorzuweisen hat.«
Jennifer ballte die Hände zu Fäusten. Sie hatte entschieden genug von diesem eitlen Bürohengst, der ihnen einerseits die Schuld an allem zuschieben wollte, andererseits aber auch jeden Verbesserungsvorschlag, den sie gemacht hatte, bisher vollkommen ignoriert hatte.
Die Herrschaften hätten ein Amtshilfeersuchen nach Hanau schicken und damit zumindest die Personalengpässe bei der Kripo etwas abmildern können. Sie hätten ihren Einfluss einmal außerhalb des stadteigenen Golfplatzes zur Geltung bringen und vielleicht den einen oder anderen Vorgang, beispielsweise beim LKA , beschleunigen können. Doch davon wollten Magistrat und Bürgermeister selbstverständlich nichts hören.
Grohmann trat Jennifer unter dem Tisch auf den Fuß – nicht besonders fest, jedoch deutlich spürbar. Er hatte bemerkt, dass sie kurz davor war, zu explodieren. Erleichtert sah er, wie die Anspannung aus ihren Händen wich.
»Was soll ich dem Bürgermeister sagen?«, wiederholte Schäffer. »Dass die Leiche, in die Sie all Ihre Hoffnungen gesetzt und wegen der Sie eine ganze Lichtung im Wald haben umgraben lassen, kaum mehr hergibt als einen beschissenen Namen auf einem Stück Papier?!«
Noch bevor Jennifer die Zähne auseinanderbekam, bemerkte Grohmann mit eisiger Stimme: »Ihr Name war Katharina Seydel.«
»Macht ihr Name irgendeinen Unterschied?!« Schäffer stand auf und vergrub die Hände in den Taschen seiner Anzughose. »Nächstes Frühjahr stehen die Bürgermeisterwahlen an. Glauben Sie, Bürgermeister Siebert ist erpicht darauf, seinen Wahlkampf mit Bundesthemen zu führen, nur weil die Unfähigkeit der hiesigen Polizei ihm keine andere Wahl lässt?!«
Ein frei herumlaufender Serienkiller machte sich sicher nicht besonders gut als Punkt im Wahlprogramm. Dachte der Typ aber wirklich, er könnte sie mit diesem Gerede unter Druck setzen? Was scherte Jennifer oder Grohmann die Bürgermeisterwahl?
»Ich denke nicht, dass Sie ehrlich daran interessiert sind, zu erfahren, was ich glaube«, erwiderte Jennifer. Ihr Lächeln hätte Wasser zu Eis gefrieren lassen können.
Schäffer sah sie verblüfft an. »Ist das etwa Ihre Entschuldigung?«
Jennifer fuhr aus ihrem Stuhl hoch. »Ich muss mich für überhaupt nichts entsch … «
Grohmanns Hand schloss sich wie ein Schraubstock um ihren Unterarm und brachte sie zum Schweigen.
»Was KOK Leitner eigentlich sagen will, ist, dass wir die Bedenken des Bürgermeisters selbstverständlich verstehen und ernst nehmen. Leider konnten wir beim Fund der Leiche von Katharina Seydel nicht wissen, dass alle Hinweise, die eine mögliche Schlüsselrolle des Opfers in diesem Fall nahelegten, in Sackgassen enden würden.«
Er spürte, wie sich die Muskulatur in Jennifers Arm etwas lockerte, und ließ sie los. »Im Augenblick haben wir leider nicht allzu viel vorzuweisen, was aber auch dem professionellen Vorgehen des Täters zuzuschreiben ist. Er hat bisher keine Fehler begangen und keine Spuren hinterlassen. Daran kann die beste Ermittlungsarbeit nichts
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