Todeszeichen: Ein Fall für Leitner und Grohmann (German Edition)
Sie konnte nur hoffen, dass dem Scheißkerl das ebenfalls bewusst war.
»Halten Sie ihn für den Killer?«, fragte Grohmann in die entstehende Stille hinein.
Das war eine Frage, über die Jennifer sich in den letzten Stunden den Kopf zerbrochen hatte. »Ich bin mir nicht sicher«, gestand sie schließlich. »Es gibt sicherlich einige Punkte, die ihn zu einem möglichen Verdächtigen machen, aber auch genügend, die dagegen sprechen. Zum Beispiel passt er nicht unbedingt ins Profil.«
Daran hatte Grohmann auch schon gedacht.
Gerhard Reisig war zwar geflohen, doch inzwischen kannten sie den Grund für seine Flucht. Und der war durchaus plausibel, wenn er ihn auch nicht wirklich entlastete. Reisig fiel in dieselbe Kategorie wie der »Künstler«. Er war ein Triebtäter, für ihren Serienmörder fehlte ihm aber definitiv die Selbstkontrolle. Ihr Täter war längst darüber hinaus, derart in Rage zu geraten, dass er wahllos Frauen würgte.
Allerdings konnte die Geschichte mit der Prostituierten auch dazu dienen, sie auf eine falsche Spur zu locken. Möglicherweise war sie sogar geschickt inszeniert.
»Er wird seine Gründe haben, warum er es entschieden ablehnt, mit einem unserer Psychiater zu sprechen.«
»Seit sein Anwalt ihm zur Seite gesprungen ist, bekommt er ohnehin nicht mehr den Mund auf«, fügte Jennifer hinzu. Sie konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie die ganze Angelegenheit verpatzt hatten. »Aus Reisig kriegen wir nichts mehr raus.«
Grohmann fühlte sich ähnlich schuldig, doch so oft er die Verhaftung und Vernehmung Reisigs auch Revue passieren ließ, er fand keinen Punkt, an dem sie rückwirkend betrachtet anders hätten handeln sollen.
»Was die Vorwürfe wegen der Prostituierten angeht, ist das sicher richtig«, sagte der Staatsanwalt. »Aber Reisigs Anwalt war immerhin so freundlich, seinem Mandanten nahezulegen, unsere Fragen bezüglich seiner Kundinnen , insbesondere der Opfer , zu beantworten. Natürlich nur in einem Rahmen, der nicht darauf abzielt, ihn mit den Morden in Verbindung zu bringen. Neuigkeiten sind hier also keine zu erwarten.«
Jennifer war überrascht. Sie kannte Reisigs Anwalt und hätte von ihm in dieser Situation keinerlei Entgegenkommen erwartet. In der Vergangenheit war er meist gut mit der Taktik gefahren, seinen Mandanten absolutes Stillschweigen abzuverlangen. Reisig zu erlauben, sich noch einmal den Fragen der Polizei zu stellen, barg durchaus Risiken für seine Verteidigung.
»Allerdings besteht er darauf, dass Sie nicht diejenige sind, die die Fragen stellt. Am liebsten wäre ihm, Sie würden überhaupt nicht an der Befragung teilnehmen.«
»Wie nett.«
»Das ist noch nicht alles.« Grohmann verzog das Gesicht. »Im Gegenzug dafür, dass sein Mandant überhaupt noch eine einzige Frage beantwortet, verlangt er, dass wir wegen seines Fluchtversuchs und des Angriffs auf Sie nichts unternehmen.«
Jennifer hätte es sich denken können. Dieser verdammte Aasgeier! Keine Strafverfolgung für ein paar einfache Informationen. Was für ein Geschäft! »Ich wusste gar nicht, dass wir uns auf einem Basar befinden.«
»Mir gefällt dieser Handel auch nicht«, bekannte Grohmann. »Aber andernfalls macht Reisig vollkommen dicht, und die Spur zu seinem Laden gefriert augenblicklich … «
Jennifer seufzte. Sie wusste, dass Grohmann recht hatte. Sie konnten Reisig jetzt entweder wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt drankriegen oder Informationen erhalten, die sie vielleicht ein kleines Stück weiterbrachten.
Wenn er doch ihr Mann war, würde er ihnen vielleicht unbeabsichtigt irgendeine wichtige Information zukommen lassen. Wenn nicht, konnte er ihnen möglicherweise irgendetwas geben, mit dem sie weiterarbeiten könnten. Auch wenn sie jede Information, die von Reisig kam, mit Vorsicht würden genießen müssen.
»Meinetwegen«, sagte sie schließlich.
»Es gibt allerdings noch einen Haken.«
»Noch einen Haken?«
Grohmann nickte. »Gerhard Reisig wird erst mit uns reden, wenn er aus der Haft entlassen wurde und sich im Krankenhaus hat untersuchen und behandeln lassen.«
»Wegen der paar Kratzer?«, empörte sich Jennifer. »Der Typ schindet doch nur Zeit! Vielleicht versucht er dann noch mal abzuhauen! Auf gar keinen Fall!«
»Das habe ich seinem Anwalt auch vorgehalten, woraufhin der uns wortlos Personalausweis und Reisepass von Reisig übergeben hat.« Der Staatsanwalt lächelte säuerlich und beugte sich vor. »Wir haben leider keine andere
Weitere Kostenlose Bücher