Todeszeit
Kühlschrank ganz zu schweigen.
Warum hatte er bloß die Jalousien nicht zugezogen?
Er verließ das Schlafzimmer, ging rasch durch den Flur und durchquerte das Wohnzimmer, bevor der Störenfried Zeit hatte, ein zweites Mal zu läuten.
In die Vordertür war kein Fenster eingesetzt. Als Mitch sie aufzog, sah er Lieutenant Taggart auf der Veranda stehen.
9
Der Heuschreckenblick hinter den beiden spiegelnden Brillengläsern durchbohrte Mitch, der kein Wort herausbrachte.
»Ich liebe diese alten Wohnviertel«, sagte Taggart und ließ den Blick über die Veranda schweifen. »So hat es in Südkalifornien früher überall ausgesehen, bevor man die ganzen Orangenhaine gefällt hat, um eine Wüste aus Häusern zu bauen, die alle gleich aussehen.«
Mitch fand eine Stimme, die fast wie seine eigene klang, wenn auch merklich dünner: »Wohnen Sie etwa hier in der Gegend, Lieutenant?«
»Nein. Ich wohne in einer der besagten Wüsten. Das ist praktischer. Ich hatte zufällig hier zu tun.«
Taggart war kein Mann, der einfach zufällig irgendwo aufkreuzte. Selbst wenn er schlafwandelte, hatte er wahrscheinlich eine bestimmte Absicht, einen Plan und ein Ziel.
»Es gibt was Neues, Mr. Rafferty, und da ich in der Nähe war, dachte ich, statt anzurufen, kann ich gleich vorbeikommen. Haben Sie ein paar Minuten Zeit?«
Falls Taggart nicht zu den Kidnappern gehörte – was hieß, dass sein Gespräch mit Mitch ohne sein Wissen aufgenommen worden war –, dann war es äußerst leichtsinnig, ihn hereinzulassen. Da das Haus klein war, waren das ein Bild der Beschaulichkeit bietende Wohnzimmer und die mit belastenden Indizien beschmierte Küche nur wenige Schritte voneinander entfernt.
»Klar«, sagte Mitch, »aber meine Frau ist mit Migräne heimgekommen. Sie hat sich hingelegt.«
Falls der Beamte doch zu der Bande gehörte und wusste, dass Holly irgendwo gefangen gehalten wurde, so verriet er das mit keinem Wimpernzucken.
»Setzen wir uns doch einfach hier auf die Veranda«, fuhr Mitch fort.
»Die haben sie echt hübsch hergerichtet.«
Mitch trat hinaus und zog die Haustür zu. Dann setzten sie sich in die weißen Korbsessel.
Taggart hatte einen großen weißen Umschlag mitgebracht. Den legte er sich ungeöffnet auf den Schoß.
»Als ich klein war, hatten wir auch so eine Veranda«, sagte er. »Da haben wir oft gesessen und zugeschaut, wie die Autos vorbeifuhren. Das war alles.«
Er nahm seine Sonnenbrille ab und steckte sie sich in die Brusttasche. Sein Blick war so direkt wie eine Schlagbohrmaschine.
»Nimmt Ihre Frau Ergotamin?«
»Wie bitte?«
»Ergotamin. Gegen die Migräne.«
Mitch hatte keine Ahnung, ob es sich bei Ergotamin tatsächlich um ein Medikament handelte oder nur um ein Wort, das sein Gegenüber kurzerhand erfunden hatte. »Nein. Sie übersteht es mit Aspirin.«
»Wie oft hat sie denn so einen Anfall?«
»Zwei- bis dreimal im Jahr«, log Mitch. Holly hatte nie Migräne. Sie litt überhaupt kaum unter irgendwelchen Kopfschmerzen.
Ein grauschwarzer Nachtfalter hatte sich auf dem Dachpfosten rechts von der Treppe niedergelassen. Dort schlief er im Schatten bis zum Sonnenuntergang.
»Ich habe Augenmigräne«, sagte Taggart. »Das ist rein
visuell. So ungefähr zwanzig Minuten lang sehe ich ein Flimmern und vorübergehend einen blinden Fleck, aber Schmerzen habe ich keine.«
»Wenn man schon das Pech hat, Migräne zu bekommen, dann hört sich die Sorte am angenehmsten an.«
»Der Arzt würde wahrscheinlich erst dann Ergotamin verschreiben, wenn sie jeden Monat einen Anfall hat.«
»Es kommt nur zweimal im Jahr vor«, sagte Mitch. »Oder dreimal.«
Inzwischen wäre es ihm lieber gewesen, wenn er zu einer anderen Lüge gegriffen hätte. Taggarts persönliche Erfahrung mit Migräne war ein Riesenpech. Das belanglose Geplauder wirkte entnervend. Wenn Mitch sich so reden hörte, dann glaubte er, misstrauisch und nervös zu klingen.
Allerdings hatte sich Taggart bestimmt schon seit Langem daran gewöhnt, dass sich die Leute ihm gegenüber misstrauisch und nervös verhielten, selbst unschuldige Menschen wie seine eigene Mutter.
In den letzten Minuten war Mitch dem starren Blick des Polizisten ausgewichen. Nun riss er sich zusammen und nahm den Blickkontakt wieder auf.
»Wir haben an dem Hund tatsächlich einen Chip gefunden«, berichtete Taggart.
»Was für ein Ding?«
»Einen Mikrochip, der zur Identifikation dient. Ich habe Ihnen doch davon erzählt.«
»Ach ja, stimmt.«
Bevor Mitch merkte, dass
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