Todfeinde
schnappte nach Luft. Benommen fuhr er herum, um ihrem Blick zu folgen. Ihm war inzwischen klar, dass ihm erneut Medikamente verabreicht worden waren, dass also entweder Ed oder der andere Barkeeper oder Pete Illoway ihm etwas in den Drink gegeben hatte. In seinen Ohren rauschte es, und er konnte sich weder auf Stellas Worte noch auf die Gestalten konzentrieren, die an der Glastür standen. Er hörte Don sehr scharf »Stella!« sagen und sah, wie der Vizepräsident, der neben Ennis stand, zuerst Don, dann Stella, und dann ihn anschaute. Sein Schweigen veranlasste die Geheimdienstler um ihn herum, durch die Tür auf die Veranda zu drängen.
Joe hechtete vorwärts, wäre fast gestürzt und traf Don Ennis mit einem rechten Schwinger auf die Nase. Der Kopf des Bauunternehmers knallte gegen die Glasscheibe, die daraufhin zerbarst und in tausend Stücken auf den Teppich und auf die Veranda regnete. Im gleichen Moment wurde Joe gepackt und überwältigt. Das Letzte, was er sah, war der mit glitzernden Glassplittern übersäte Verandaboden aus Redwoodholz, der ihm entgegenraste.
Zur selben Zeit rollte vierhundert Kilometer entfernt ein Geländewagen mit einem Nummernschild aus Virginia auf einen abgelegenen Canyon namens Savage Run zu. Der Mann, der ihn durch äußerst unwegsames Gelände dort hinaufgesteuert hatte, legte den Vorwärtsgang ein, schwang sich heraus und sah zu, wie das Auto Fahrt aufnahm und hinter der Kante verschwand. Es dauerte volle vier Sekunden, bis das Geräusch des Aufschlags nach oben drang.
35. KAPITEL
Ein greller Sonnenstrahl, der durch ein Oberlicht auf seine Lider fiel, ließ Joe schweißgebadet und mit pochendem Kopfschmerz auf einer Metallpritsche im Gefängnis von Teton County erwachen. Als er den Kopf aus dem Licht zur Seite drehte, überkam ihn eine gewaltige Übelkeit, und er taumelte zur Stahltoilette in der Ecke, erbrach sich, lehnte sich an die Betonziegelmauer und atmete tief durch. Er hatte einen Geschmack im Mund, als hätte er Geldmünzen gelutscht.
»Morgen, Freundchen«, sagte ein Geheimdienstler, der vor seiner Zelle stand. Joe erinnerte sich, ihm bereits im Büro des Sheriffs begegnet zu sein.
Er wollte auf die Armbanduhr schauen, doch an seinem Handgelenk war nur ein bleiches Hautoval zu sehen.
»Wie spät ist es?«, krächzte er und stellte fest, dass man ihm auch Gürtel, Stiefel und den Inhalt seiner Taschen abgenommen hatte.
»Mittag.«
»Mensch«, sagte Joe, »mein Kopf bringt mich um.«
»Sie haben eine ordentliche Abreibung bekommen. Übrigens sind Ihre Nähte gestern Abend aufgeplatzt, aber der Arzt hat Sie wieder zusammengeflickt.«
Joe hob die Arme und sah die getrockneten Blutflecken an seinen Sachen. Dann schlug er das Hemd hoch und musterte die neuen Verbände. Einen Spiegel gab es nicht, doch als er sich das unrasierte Gesicht rieb, spürte er Schnitte und Blutergüsse, und seine Unterlippe war wund und geschwollen. Wenn Marybeth mich jetzt sehen könnte , dachte er, w äre sie mächtig stolz auf mich.
»Ich bin Agent Cameron, und Sie, mein Freund, stecken gewaltig in der Tinte.«
Joe sah ihn an; seine Worte ließen ihn aufmerken.
»Was haben Sie gegen den Vizepräsidenten?«
»Mann«, stöhnte Joe, »nicht das Geringste.«
»Warum haben Sie ihn dann angegriffen?«
»Hab ich nicht. Ich hab Don Ennis angegriffen.«
Cameron trat von einem Bein aufs andere und starrte ihn durch die Gitterstäbe hindurch an.
»Ja, das dachten wir auch. Aber Mr. Ennis behauptete, Sie haben seinen Gast angegriffen und er habe sich vor ihn gestellt, um ihn zu schützen.«
»Sie waren dabei, oder? Sie wissen doch, dass es nicht so war.«
»Wir hätten es nicht zugelassen, dass es dazu gekommen wäre. Aber womöglich wollten Sie den Vize angreifen und haben den Falschen erwischt?«
»Ich hab den getroffen, den ich treffen wollte.«
Cameron lächelte matt. »Ja, es war offensichtlich, dass Sie es auf ihn abgesehen hatten. Ich wollte Sie nur testen. Aber Mr. Ennis scheint hier ziemlich großen Einfluss zu haben, und ich glaube, er sähe es gern, wenn Sie noch sehr lange in dieser Zelle bleiben würden.«
Joe legte beide Hände an die Schläfen und strich sein Haar nach hinten. Als er die Beulen auf seinem Kopf ertastete, zuckte er zusammen. »Werde ich eines Verbrechens angeklagt? Kann ich den Sheriff sprechen?«
»Der ist vermutlich noch nicht zurück. Er musste früh raus, weil es auf dem Fluss einen Unfall gab. Anscheinend ist jemand im Wildwasser ertrunken.«
Joe
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