Todfeinde
Wir haben zwar noch ein paar Tage Zeit, aber … «
Darauf war Joe gefasst gewesen, ganz im Gegensatz dazu, Illoway und Ennis einen großen Gefallen damit getan zu haben, Smoke zu erschießen.
»Ich habe meine Empfehlung noch nicht abgegeben«, erwiderte er kühl, »werde aber vorschlagen, Ihre Planungen erst zu bewilligen, wenn Sie Durchlässe oder Brücken errichten, damit das Wild ungehindert nach Süden ziehen kann. Die Tiere dürfen nicht gezwungen sein, die Landstraße zu kreuzen, um in tiefer gelegene Gebiete zu gelangen. Das wäre für Autofahrer und Herden gleichermaßen gefährlich.«
Etwas Kaltes, Finsteres huschte über Ennis’ Miene, als hätte Joe ihn hintergangen. Es war der derselbe Gesichtsausdruck, den Joe eine Woche zuvor beobachtet hatte, als Stella ins Sitzungszimmer gekommen war.
»Sie ziehen mich nur auf«, flüsterte Ennis angespannt. »Oder etwa nicht?«
»Nein. Und wie Sie wissen, wollte auch Will Jensen diese Empfehlung abgeben. Ich habe sein letztes Notizbuch gefunden, in dem er zu diesem Schluss gekommen ist.«
Illoway griff nach Ennis’ Arm, doch der zog ihn weg, und seine Augen wurden schmal.
»Don«, mahnte Illoway, »das ist der falsche Moment.« Dann wandte er sich Joe zu und sagte: »Wenn einheimische Tierarten freien Zugang zur Siedlung hätten, könnten sie sich mit unserem genetisch hochwertigen Bestand kreuzen. Das ist Ihnen bestimmt klar.«
Joe zuckte die Achseln. »Sicher, das ist möglich. Aber ich bin sowieso nicht der Ansicht, dass Sie hier mitten in der Wildnis alle Umweltfaktoren vollständig kontrollieren können. Ein weiser Mann hat mir mal gesagt, die echte Natur sei ein schwer zu begreifendes Durcheinander.« Er genoss es, diesen Satz zu zitieren, versuchte aber, dabei nicht zu lächeln.
»Wer war das?« Illoway schien sich durch diesen Gedanken beleidigt zu fühlen.
»Smoke Van Horn – am Abend vor seinem Tod.«
»Ich dachte, Sie wären klüger als Jensen«, stieß Ennis hervor. »Der war nichts weiter als ein Drogenabhängiger, der den Frauen nachstellte – ein lästiges Insekt angesichts der Größe und Tragweite dieses Projekts.«
Joe sah ihn an und nippte an seinem Drink. »Woher wissen Sie, dass Jensen medikamentenabhängig war?«
Ennis schien jeden Moment zu explodieren. Joe war gespannt, was er im Zorn sagen und tun würde. Das Eintreten des Vizepräsidenten und seiner Frau aber verhinderte, dass es zum Wutausbruch kam. Er wandte sich ab, um den Politiker zu begrüßen, sah sich zuvor aber noch mal um. »Wir sind hier noch nicht fertig.«
»O nein«, gab Joe zurück, »Sie und ich, wir haben eine Menge zu besprechen.«
Illoway schüttelte traurig den Kopf. »Was führen Sie hier im Schilde? Und was meinten Sie damit, wir hätten gewusst, wie Will Jensens Entscheidung ausgefallen wäre?«
»Ach«, Joe klang ruhiger und gefasster als ihm zumute war, »ich denke, Sie kennen die Antworten auf diese Fragen.«
Er entdeckte Stella im Wohnzimmer, wo sie mit dem Rücken zur Bar aus einem großen Glas trank. Sie war schick gekleidet und trug eine gestärkte weiße Bluse mit Puffärmeln, einen kurzen schwarzen Rock und kniehohe schwarze Stiefel. Aus irgendeinem Grund nahm er an, dass ihre Zehennägel rot lackiert waren. Sein Anblick schien sie zu belustigen – so wie sie sich offensichtlich über den ganzen Abend bestens amüsierte. Sie kicherte los, als eine der Vorzeigegattinnen, die partout einen Blick auf den Vizepräsidenten im Nebenzimmer werfen wollte, einen mit Frischkäse bestrichenen Kräcker auf ihren cremefarbenen Hosenanzug fallen ließ.
»Ich bin froh, dass du gekommen bist«, sagte sie, als Joe sich zu ihr gesellte.
»Dein Mann nicht.«
»Was war denn los da drüben? Es sah so aus, als wolltest du ihn ködern.«
»Genau.«
»Bist du sicher, dass du weißt, was du tust?«
Joe lächelte. »Das bin ich mir nie. Manchmal tapse ich einfach nur so lange herum, bis ich auf etwas stoße.«
Sie leerte ihr Glas und gab es dem Barkeeper. »Noch einen Gin Tonic, bitte. Was möchtest du trinken?«
»Ich hab schon.«
»Dann bekommst du noch einen Drink dazu.« Sie drehte sich um. »Ed, machen Sie meinem Freund bitte einen Bourbon mit Wasser?«
Ed blickte auf. Er war größer als Joe und hatte ein breites, teilnahmsloses Gesicht und herausfordernde Augen. Joe hatte offenkundig eine Geschichte unterbrochen, die er Stella vor dem Missgeschick mit dem Hosenanzug erzählt hatte, und das verübelte er ihm.
»Ed ist mal auf Skiern die
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