Todfeinde
was mit reichen Leuten, die zu den Ursprüngen zurückkehren und dabei sein wollen, wenn ihre Tiere aufgezogen, getötet und abgepackt werden.«
»Ach ja? Klingt nach Jagd.«
Trey lachte leise. »Das hat nichts mit Jagen zu tun, Joe. So wie Will es mir beschrieben hat, geht es mehr darum, das Tier kennenzulernen, bevor man ihm den Garaus macht und es durch den Wolf drehen lässt. Damit man seine Schmerzen nachempfinden kann oder so. Ach, ich weiß es auch nicht.«
»Ich sagte Ihnen ja, dass jemand nicht einverstanden damit war, dass Sie die Stelle übernehmen«, meinte Trey fast beiläufig, während Joe in den Taschen auf der Ladefläche seines Pick-ups nach Trockenfleisch und Müsliriegeln für ihr Abendessen suchte.
»Wer? Der Gouverneur?«
Trey lächelte. Joe hatte den Gouverneur einst wegen Angeln ohne Genehmigung festgenommen, was dieser ihm nie verziehen hatte.
»In zwei Monaten«, erwiderte Trey grinsend, »sind wir den Kerl los.«
Gouverneur Budd konnte nicht wiedergewählt werden, hatte Wyoming praktisch schon verlassen und bemühte sich nun in Washington um eine neue Aufgabe in der Bundesverwaltung. Bisher hatte er aber noch keine Stelle an Land gezogen. Dass er sogar innerhalb der eigenen Partei unpopulär war, hatte sich wohl bis in die Hauptstadt herumgesprochen.
»Manche prophezeien sogar, dass der Kandidat der Demokraten gewinnen wird«, meinte Trey. »Rechnen Sie also mit allem.«
»Ich würde lügen, wenn ich sagte, sein Abschied täte mir leid«, erwiderte Joe. »Und ich wusste stets zu schätzen, dass Sie in all den Jahren hinter mir standen.«
Trey winkte ab, lehnte sich an den Kühlergrill seines Pick-ups, kaute ein Stück Trockenfleisch und spülte es mit Wasser herunter. »Joe, ich möchte, dass Sie herausfinden, was mit Will passiert ist. Sie können natürlich keine richtige Untersuchung durchführen – das machen der Sheriff vor Ort und die Kriminalpolizei von Wyoming. Und vielleicht haben sie sie schon abgeschlossen.«
Joe hatte das kommen sehen. Er hatte sogar darauf gehofft.
»Aber ich muss wissen, was passiert ist und was ihn dazu gebracht hat, sich umzubringen. Das ist mir unbegreiflich.«, fuhr Trey fort.
»Glauben Sie, es war Mord?«
Trey schüttelte den Kopf. »Nichts von dem, was ich gehört habe, deutet auf etwas anderes als Selbstmord hin. Ich möchte aber wissen, was so schlimm war, dass Will keinen anderen Ausweg mehr sah, als sich eine Pistole in den Mund zu schieben.«
»Ich werde tun, was ich kann.«
»Erstatten Sie mir Bericht. Auch wenn Sie nicht das Geringste herausfinden. Womöglich erfahren wir nie, was in Will vorging«, seufzte Trey. »Aber falls doch, kann ich seinem Nachfolger vielleicht helfen. Ich weiß es nicht. Wenn man jemanden hat, der für diese Arbeit perfekt geeignet erscheint und der eine wunderbare Frau und tolle Kinder hat, und dann passiert so was, dann … «
»… ergibt das einfach keinen Sinn«, sagte Joe.
Er spürte Treys musternden Blick und wusste, was er gerade dachte: dass seine Beschreibung von Will Jensen genauso auf Joe Pickett zutraf.
Der Empfänger piepste, und sie sahen sich an. Der Bär war zurück. Trey schlug vor, die Pferde aufzusatteln und sich auf die Suche nach ihm zu machen.
Als es dunkel wurde, empfingen sie ein kräftiges Signal. Sie errichteten ihr Lager an einem Bach und das Signal blieb die Nacht und auch am Morgen unverändert klar und deutlich. 304 kehrte zu den Hütten im Wald zurück. Sie rechneten damit, ihm gegen Mittag zu begegnen. Aber dem war nicht so.
Am späten Nachmittag schlug Treys tragbarer Empfänger bis zum Anschlag aus, und die Pferde schnaubten und tänzelten, da sie den Bären rochen. Die Sonne war eben hinter den Gipfeln versunken. Die herbstlichen Farben verblassten im einfallenden Schatten, und es war nun spürbar kälter.
Joe blickte auf und erkannte den Gebirgskamm wieder, an dem sie anfangs geparkt hatten. Er fand es bemerkenswert, dass das Tier sie zum Ausgangspunkt der Jagd zurückgeführt hatte. Angeblich war es nicht ungewöhnlich, dass verwundete Bären sich so verhielten und bevorzugt vertrautes Gelände aufsuchten. Womöglich war 304 aber bloß wieder hungrig.
Als Joe der Geruch des Bären in die Nase stach, nahm er unwillkürlich die Zügel fester und merkte, wie seine Muskeln sich anspannten. Er stieg ab, führte sein Pferd zu einem Baum und band es fest. Trey tat es ihm gleich.
Dann ging er zu Joe und flüsterte: »Wir müssen nah beieinander und in Sichtweite
Weitere Kostenlose Bücher