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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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bleiben. Wenn er einen von uns angreift, muss der andere schießen. Sollten Sie das sein, Joe, zielen Sie auf seine Schulter, um Herz oder Lunge zu treffen, nicht auf den Kopf. Ich habe gehört, dass schon so manche Kugel einfach vom Schädel abgeprallt ist.«
    Joe nickte, sah Trey dabei aber nicht in die Augen.
    »Alles in Ordnung, Joe?«
    »Ja.«
    Trey hob den Empfänger auf Brusthöhe und drehte sich langsam herum, bis klar war, aus welcher Richtung das Signal kam. Joe folgte seinem Blick zu einem dichten Espenwäldchen, das an einem sonst nur mit Salbeibüschen bewachsenem Hang stand. Der Bär war zu groß, um sich im Salbei zu verbergen; er musste also in den Espen stecken. Als hätte Trey seine Gedanken gelesen, wies er auf die Bäume.
    Joe schob eine Patrone in den Flintenlauf, platzierte rasch eine weitere im Magazin und hielt den Daumen beim Gehen an der Sicherung, um sie sofort lösen und feuern zu können.
    Sie näherten sich dem Wäldchen. Joe hörte den kühlen Wind durch die Kronen streichen. Einige gelbe Blätter lösten sich und schwebten zu Boden. Sonst war nur das Signal des Empfängers zu hören. Ehe sie sich ins Gehölz aufmachten, blickte er zu Trey. »Fertig?«, formte dieser mit den Lippen. Joe tippte sich an die Hutkrempe.
    Der strenge Geruch des Bären hing wie Rauch etwa einen Meter über dem Waldboden. Es dämmerte. Joe wünschte, sie hätten sich mindestens eine halbe Stunde früher in die Espen aufgemacht, als es noch heller war. Sollten sie das Tier nicht binnen zehn Minuten aufspüren, so schwor er sich, würde er nach Trey rufen, und sie würden sich zurückziehen und bis zum Morgen abwarten.
    Obwohl sie das Wäldchen gerade einmal zwanzig Schritte voneinander entfernt betreten hatten, konnte Joe seinen Kollegen im dichten Unterholz inzwischen weder sehen noch hören.
    In den Geruch des Bären hatte sich eine neue Note gemischt – der metallische Geruch von Blut. Langsam ging er weiter und holte dabei tief und so still wie möglich Luft, damit ihm kein noch so leises Geräusch entging.
    Joe spürte ihn, noch bevor er ihn sah, und fuhr so schnell herum, dass sein Stiefelabsatz sich ins weiche, dunkle Erdreich unter dem Laub grub.
    Der Grizzly saß auf den Hinterläufen und blickte ihn aus drei Metern Entfernung an. Joe sah das braun-silbrige Fell, das teilweise von schwarzem Blut verkrustet war, und beobachtete, wie die Brust des Tiers sich beim Atmen unter Schmerzen hob und senkte. Er starrte dem Bären in die schwarzen, regungslosen Augen, in denen keinerlei Böswilligkeit zu erkennen war.
    Joe hob die Flinte und entsicherte sie. Dann setzte er 304 den Lauf aufs Herz. Doch er feuerte nicht.
    Selbst als der Grizzly Anstalten machte, ihn anzugreifen, und warnend die Zähne fletschte, drückte er nicht ab.
    Trey Crump dagegen schoss. Es klang, als würde das ganze Wäldchen in die Luft fliegen. 304 zuckte wie vom Blitz getroffen zusammen und brüllte mit aufgerissenem Maul, sodass Joe die langen Zähne und die rosa Zunge sehen konnte. Trey feuerte erneut, und der Bär kippte vornüber und war tot, noch ehe er auf dem Boden aufschlug.
    Als sie im Dunkeln zu ihren Fahrzeugen ritten und den Grizzly hinter sich herzogen, fragte Trey: »Warum haben Sie nicht geschossen, Joe?«
    Joe wollte nicht antworten und schwieg.
    Weil er mir direkt in die Augen gesehen hat, dachte er. Darum. Weil ich festgestellt habe, dass ich keinen Bären töten kann, der mir direkt in die Augen sieht.
    Am Abend saßen sie in einem Gästehaus am Fuße des Gebirges und aßen große Steaks und tranken ein Bier nach dem anderen. Die alten Hasen an der Theke hatten die Geschichte gehört und gaben ihnen Runde für Runde aus. Sie teilten Treys Bewunderung für den alten Grizzly 304. Aber er hatte sterben müssen. Ein gefütterter Bär war ein toter Bär.
    Joe ließ Trey am Tresen allein und ging nach draußen zu einem Münztelefon. Es war kalt, als er seine Geldstücke in den Schlitz schob, und sein Atem dampfte, als er »Hallo Schatz« zu Marybeth sagte.
    »Wo bist du?«, fragte sie noch kälter.
    Er lehnte sich zurück und betrachtete das Schild an der Landstraße. »In einem Lokal namens T-Bar.«
    »In Jackson?«
    »Nein. In der Nähe von Cody.«
    » Cody . Joe, was machst du in Cody? Warum bist du nicht in Jackson? Warum hast du nicht angerufen, wie du gesagt hast?«
    »Hat dir die Zentrale denn nicht Bescheid gegeben?«
    »Die Zentrale?«
    Er erzählte die Geschichte, merkte aber, dass sie noch immer wütend auf ihn

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