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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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Pick-up mit verschränkten Armen aufsässig und entschlossen entgegensah, begriff Joe, warum sie hier waren. Es handelte sich nicht um ein Zeltlager, sondern um eine Demonstration.
    Da er wusste, welche Risiken es barg, mitten in ein Camp – und sei es ein illegales – hineinzuplatzen, hielt er dreißig Schritt entfernt an, schaltete den Motor aus, schwang sich aus dem Wagen, setzte seinen Hut auf und rief: »Ein schöner Nachmittag, was?« Aus Erfahrung wusste er, dass die ersten Worte oft entscheidend für den weiteren Verlauf einer Begegnung waren. Da die Personen, denen er im Gelände begegnete, meist in der Überzahl und eigentlich immer besser bewaffnet waren, bevorzugte er eine freundlich-verbindliche Einleitung, hatte aber noch weitere Tricks auf Lager. Zum Beispiel kam er nie direkt auf jemanden zu, so als wolle er ihn angreifen, sondern hielt sich leicht seitwärts, sodass die anderen sich ein wenig drehen mussten, wenn sie mit ihm sprachen. Um zu vermeiden, dass sich jemand in seinen Rücken schlich, achtete er darauf in Bewegung zu bleiben, ohne dass es unnatürlich wirkte. Und er hielt stets genug Abstand, damit niemand ihn packen konnte.
    Die Pfostenlochgräber unterbrachen ihre Arbeit, was ihnen offenbar gar nicht so ungelegen kam. Sie waren in den Zwanzigern, der eine dünn und drahtig, der andere dick. Am Pullover des Dicken zeichneten sich dunkle Schweißflecken unter den Achseln ab, und seine Stirn war nass. Der Drahtige trug eine Brille mit kleinen runden Gläsern, und die Anstrengung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Beide blickten zu der Frau hinüber, in der Erwartung, dass sie das Wort für sie ergreife.
    »Ich hab Sie hier noch nie gesehen«, erwiderte sie mit klarer Stimme, »aber es freut mich, dass Ihnen unser Wetter gefällt.«
    »Wenn der Schatten der Berge hier angekommen ist, dürfte die Temperatur um zehn Grad fallen.«
    »Vielleicht sogar um fünfzehn.«
    »Hoffentlich wird Ihnen dann nicht kalt«, sagte Joe mit Blick auf die leichten Wanderzelte. Aus einer Zeltklappe lugte ein knitteriger Schlafsack, doch nichts deutete auf Schusswaffen hin.
    Er kam von der Seite bis auf zwei Meter an sie heran, schob den Hut etwas aus der Stirn und stopfte die Hände in die Taschen: eine weitere bewusst friedfertige Geste, und sofort entspannte sie sich nahezu instinktiv. Joe fand sie nicht unattraktiv, obwohl sie ungeschminkt war und sich das lange, ungekämmte Haar aus dem Gesicht strich. Sie hatte zarte Gesichtszüge und hohe Wangenknochen und trug einen Fleece-Pullover, verwaschene Jeans und Wanderstiefel.
    »Sie müssen der Neue sein«, sagte sie und musterte ihn. »Sind Sie hier, um Will Jensen zu ersetzen?«
    »Jedenfalls vorläufig«, gab Joe zurück, stellte sich vor und streckte ihr die Hand entgegen, sodass sie die verschränkten Arme öffnen musste.
    »Ich bin Pi Stevenson«, antwortete sie fast schüchtern.
    »Freut mich, Sie kennenzulernen.« Joe stellte sich auch den beiden anderen vor. Der dünne Mann hieß Ray, der dicke Birdy.
    Dann wandte er sich dem Schild zu, das an zwei Pfosten genagelt auf dem Boden lag.
    »›Jackson Hole Fleischzucht‹«, las er vor. Unter den großen Blockbuchstaben stand in kleinerer Schrift: Netzwerk zur Befreiung der Tiere . Er warf Pi einen Blick zu. »Was bedeutet das?«
    Der anfängliche Trotz kehrte in ihre Augen zurück. »Genau das ist dieses Rückzugsgebiet: eine Fleischzucht. Ein Ort, an dem Wildtiere gefüttert und gemästet werden, damit Menschen sie im Namen des sogenannten Jagdsports abknallen und ihr Fleisch essen können.« Die letzten Worte spuckte sie förmlich aus.
    Wie auf ein lautloses Kommando hin hoben Ray und Birdy das Schild an und versenkten die Pfosten in den Löchern. Nun war es von der Landstraße aus zu sehen. Sofort bremste der Fahrer eines Wohnmobils und hielt auf dem Seitenstreifen, um zu lesen, was da geschrieben gestand.
    »Dieses Netzwerk zur Befreiung der Tiere«, begann Joe, »sind Sie das?«
    »Das sind wir alle«, erwiderte Pi und zeigte auf sich, Ray und Birdy. »Wir sind nur ein kleiner Teil einer weit größeren Bewegung.«
    »Können die beiden reden?«, fragte Joe unschuldig.
    »Natürlich. Aber ich bin unsere Sprecherin.«
    »Hier in Wyoming werden Sie es schwer haben.«
    »O ja«, erwiderte sie mit Nachdruck. »Die Gegend hier ist vielleicht die barbarischste überhaupt. Man kann in kein Restaurant gehen, ohne von den abgetrennten Köpfen herrlicher Tiere umgeben zu sein.«
    »Warum sind Sie dann

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