Todfeinde
Plastikfolie der Originalverpackung. Joe strich sie glatt und besah sich die Papierbanderole, derzufolge die Packung insgesamt fünfzehn Notizbücher enthalten hatte.
Demnach fehlte das Buch des laufenden Jahres. Vielleicht befand es sich ja in Wills Pick-up (also dort, wo auch Joe sein Notizbuch aufzubewahren pflegte) oder bei ihm zu Hause. Joe öffnete seine Aktentasche und schob die Bücher hinein. Er würde sie lesen, wenn er Zeit dazu hatte, vermutlich am Abend. Was sollte er auch sonst tun? Er war entschlossen, Nummer 11 zu finden.
Joe musste Marybeth anrufen, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen. Doch als er zum Telefon griff, spürte er jemanden in der Tür und sah ruckartig auf.
»Sind Sie wegen des Trauergottesdiensts morgen hier?«, fragte der Unbekannte zur Begrüßung.
Wegen einer kaputten Rolle konnte Joe sich nur ungelenk vom Schreibtisch abstoßen und stolperte beim Aufstehen. Der große, dünne Mann auf der Schwelle hatte hellblaue Augen und sandfarbenes Haar und war so blass, als säße er den ganzen Tag im Büro. Er trug ein Tweedjackett überm Rollkragenpulli, und seine brandneue Jeans war noch steif. Die modischen Wanderstiefel, in denen sie steckte, schien er erst vor wenigen Stunden ausgepackt zu haben.
Joe stellte sich vor und streckte ihm höflich die Hand entgegen. Er schüttelte sie lustlos und zog die Hand rasch zurück.
»Sollte ich Sie kennen?«, fragte Joe.
»Durchaus. Ich bin Randy Pope, der stellvertretende Direktor. Aus der Zentrale in Cheyenne. Sie hätten Montagabend eintreffen sollen.«
Joe kannte seinen Namen, war ihm bisher aber nie persönlich begegnet. Randy Pope war für die Finanzen der Behörde zuständig. Die meisten innerbetrieblichen Mitteilungen, die auf Joes Schreibtisch landeten – ob sie nun Verfahrensfragen galten, dem Einfrieren von Löhnen und Gehältern, dem Erschleichen von Überstunden, der Trödelei im Dienst oder Verfehlungen der Jagdaufseher im Gelände – , stammten von Randy Pope.
»Schön, Sie kennenzulernen.« Joe wollte freundlich klingen. »Ich habe mich verspätet, weil ich Trey Crump bei einem Problembären geholfen habe.«
»Der Direktor ist auf einer Konferenz außerhalb Wyomings«, sagte Pope, ohne auf Joes Erklärung einzugehen. »Er hat mich gebeten, die Jagd- und Fischereibehörde bei der Trauerfeier zu vertreten.«
Das erklärt deinen Aufzug, dachte Joe – so denkst du also kleiden sich die Leute in Jackson.
»Sie wissen wahrscheinlich, dass ich hier einspringe«, sagte er, da er das Bedürfnis hatte, Pope zu erklären, warum er an Will Jensens Schreibtisch saß.
Pope wandte seinen Blick von Joe ab und fixierte nun irgendetwas rechts oberhalb seines Kopfes. »Davon habe ich gehört«, erwiderte er aalglatt. Keine Frage: Er war nicht damit einverstanden. »Wir hatten Sie Anfang der Woche erwartet.«
Joe berichtete ihm geduldig von der Jagd auf den Bären, und dass er nicht wisse, ob die Telefonistin vergessen habe, das nach Jackson weiterzuleiten, oder aus welchen Gründen auch immer die Meldung letztendlich nicht im Büro angekommen war. Pope schien diese Entschuldigung nicht zu akzeptieren.
Von Trey und anderen hatte Joe gehört, dass Randy Pope alles daransetzte, zum Direktor ernannt zu werden. Der Amtsinhaber, so hieß es, werde im Zuge der anstehenden Gouverneurswahl abgelöst. Die Direktoren wurden nach dem Ermessen des Gouverneurs und der Jagd- und Fischerei-Kommission ernannt und stammten bisher stets von innerhalb der Behörde, aus dem Kreis der Jagdaufseher und Biologen.
Soweit Joe wusste, hatte es nie einen Direktor gegeben, der zuvor in der Verwaltung der Behörde tätig war, also dort, woher die Aktennotizen kamen. Und doch hieß es, Pope habe sein Bestes gegeben, um sich sowohl bei den Kandidaten für das Amt des Gouverneurs als auch bei den Abgeordneten der Jagd- und Fischerei-Kommission beliebt zu machen. Er beschrieb sich selbst als jemanden, der gleichzeitig drinnen und draußen Position bezog: als fiskalisch verantwortlichen Insider, der die grassierende finanzielle Misswirtschaft beseitigen und zudem die Cowboys im Gelände an die Kandare nehmen würde.
Joe hatte keinen Zweifel daran, dass Pope ihn zu den Cowboys rechnete.
»Joe, ist Ihnen klar, welche Probleme unsere Behörde gegenwärtig hat?«
Diese Frage kam aus heiterem Himmel. Joe schüttelte den Kopf.
»Wir schreiben rote, blut rote Zahlen. Der Staat Wyoming und die US -Behörden halsen uns mehr und mehr Verantwortung auf, aber unser Etat wird
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