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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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hier?«
    Sie verschränkte die Arme wieder. »Weil man am besten dort gegen Ungerechtigkeit demonstriert, wo sie stattfindet. Jemand muss ja stark und tapfer sein.«
    »Pi ist berühmt«, warf Birdy ein. »In unserer Bewegung ist sie die Zäheste und Engagierteste von allen.«
    »Verstehe.«
    »Danke, Birdy.« Pi bedachte ihn mit einem süßen Lächeln, und er errötete.
    »Sie stellen dieses Schild also hier auf, damit Leute, die nach Jackson fahren oder von dort kommen, es von der Landstraße aus sehen?«, fragte Joe und wies mit dem Kopf auf all die Fahrer, die inzwischen auf dem Seitenstreifen gehalten hatten und zu ihnen herübersahen. »Um ein Bewusstsein für Ihr Anliegen zu schaffen?«
    »Genau. Reporter von beiden Zeitungen und der Mann von der Nachrichtenagentur haben mich heute Nachmittag interviewt – eine gewisse Aufmerksamkeit dürfte uns also sicher sein.«
    »Hmmm«, entgegnete Joe vage.
    »Sie sind Fleischesser, stimmt’s?«, fragte sie. »Sie sind sicher überzeugt, dass Tiere unter den Menschen stehen und uns zu dienen haben. Dass sie unsere Kuscheltiere sind, wenn uns danach ist, aber auch unsere Nahrung, wenn wir sie töten und essen wollen.«
    Joe dachte darüber nach. »Mehr oder weniger. In Wyoming gilt angeblich schon als Vegetarier, wer nur einmal am Tag Fleisch isst.«
    Er konnte sie nicht freundlich stimmen.
    »Sie haben noch viel zu lernen«, erwiderte sie. »Aber ich hasse Sie deswegen nicht, denn Sie sind nur unwissend. Kennen Sie den Satz: ›Ein Insekt ist eine Katze ist ein Hund ist ein Junge‹?«
    »Nein.« Joe war etwas enttäuscht, dass sein Witz ihr nicht einmal den Anflug eines Lächelns entlockt hatte.
    »Er bedeutet, dass wir alle miteinander verbunden sind. Wir alle sind das Leben – es gibt keine Abstufungen. Ein Rind oder Wapiti zu verzehren, ist das Gleiche, wie ein Kind zu essen. Es gibt keinen Unterschied. Es ist einfach Fleisch.«
    Joe zuckte zusammen.
    »Ein Amerikaner isst im Schnitt dreiundzwanzig Kilogramm Hühnerfleisch pro Jahr, nahezu sieben Kilo Pute, gut achtundzwanzig Kilo Rind und zwanzig Kilo Schwein.« Sie war jetzt richtig in Fahrt gekommen und ging wild gestikulierend auf Joe zu. »Außerdem Lamm – Lamm! – und Kalb. Und hier draußen essen die Leute sogar noch mehr Fleisch – Rotwild zum Beispiel und Wapitis, die genau hier gefüttert und gemästet werden. Wäre es nicht herrlich, diese Tiere jeden Tag zu sehen, statt sie ihres Fleisches wegen umzubringen?« Die redet wie ein Buch, dachte Joe.
    Er wollte sich auf diese Debatte nicht einlassen, hatte aber eine Frage. »Macht es denn keinen Unterschied, ob man sich sein Fleisch selbst erjagt oder es abgepackt im Supermarkt kauft? Und was ist mit den Wapitis? Wäre es besser, sie würden im Winter verhungern? Ihr natürlicher Lebensraum ist zu klein geworden. Sie würden zu Tausenden sterben, wenn wir sie nicht fütterten.«
    Pi hatte diese Argumente offenbar schon oft gehört und antwortete, ohne zu zögern: »Was Ihre erste Frage betrifft: Fleisch ist Fleisch. Wie gesagt, ein Insekt ist eine Katze ist ein Hund ist ein Junge. Und zur zweiten Frage: Wir hätten es nicht so weit kommen lassen dürfen. Würden wir die Wapitis nicht heranziehen und füttern, um sie zu schlachten, dann hätten wir das Problem gar nicht.«
    Joe nickte. »Aber wir haben dieses Problem. Und wir können es nicht lösen, indem wir sagen, wir dürften es nicht haben, oder?«
    »Da ist was dran«, erwiderte sie lächelnd, »wenn auch nicht viel. Aber ich habe erreicht, was ich wollte.«
    »Nämlich?«
    »Sie zum Nachdenken zu bringen.«
    Joe lächelte zurück.
    »Werden Sie uns nun festnehmen?«, fragte sie.
    »Hat Will Sie festgenommen?«
    »Mehrmals. Einmal oben an Rosie’s Ridge, in einem Jagdlager. Ich war als Wapiti verkleidet, mit diesem süßen, kleinen künstlichen Geweih« – sie hob die Hände und wackelte mit den Fingern, um ein süßes kleines Geweih nachzubilden – »und bin zwischen den Jägern herumgelaufen und hab gefragt: ›Wer hat meine schöne Frau getötet? Und meinen Sohn abgeknallt? Und meiner kleinen Tochter in den Bauch geschossen?«
    »Das war echt cool«, ergänzte Birdy. »Sie hat die Arschlöcher da oben zum Jaulen gebracht.«
    Joe verkniff sich ein Grinsen. Sie hatte die Geschichte recht witzig erzählt. »Darauf möchte ich wetten.«
    »Ich bin damals etwas zu weit gegangen«, sagte Pi. »Es war zu schnell zu viel. Das Parlament von Wyoming hat dann gesetzlich verboten, Jäger zu belästigen,

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