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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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»Ich hab ihm die Quelle gezeigt. Er wollte herausfinden, woher sie kommt und ob sie mit der thermischen Aktivität in Thermopolis oder im Yellowstone Park verbunden ist.«
    »Das klingt nach Joe.«
    Nate lächelte. »Grüßen Sie ihn von mir.«
    »Mach ich. Falls ich es schaffe, mal mit ihm zu reden.«
    Nate sah sie verblüfft an, drehte sich um und ging zu seinem Jeep. Marybeth schloss die Tür und lehnte sich dagegen. Sie war froh, dass Sheridan das Gespräch nicht mitbekommen hatte, doch zugleich schämte sie sich dieses Gedankens.
    Als eine Stunde später das Telefon klingelte, nahm Marybeth beim ersten Läuten ab.
    »Joe?«
    »Nein, hier spricht deine Mutter. Wir sind von unserer Hochzeitsreise zurück. Tut mir leid, dich zu enttäuschen.«
    »Aber nein, ich hab nur …«
    »Italien war einfach großartig! Die Menschen dort sind so herzlich, und das Essen war wirklich himmlisch.«
    »Bei uns gab’s heute Spaghetti«, erwiderte Marybeth mürrisch und bereute diese Bemerkung sofort.
    »Die sind nichts gegen die Spaghetti in Italien«, gab ihre Mutter zurück. »Ach, du musst mir die Mädchen bringen. Wir haben für alle Geschenke mitgebracht, sogar für Joe.«
    Marybeth berichtete, dass Joe seit über einer Woche in Jackson war.
    »Meinem dritten Mann und mir gehörte dort eine Eigentumswohnung«, so Missy. »Nach unserer Scheidung hatte ich dafür keine Verwendung mehr.«
    »Ich erinnere mich.« Marybeth fragte sich, warum sie ihr das jetzt erzählte. Wohl nur, um auf alles, was ihre Tochter sagte, noch eins draufzusetzen.
    »Da fühlst du dich sicher allmählich einsam. Ich weiß, wie es ist, verlassen zu sein. Vergiss nie, Marybeth: Du kannst die Kinder jederzeit zu uns bringen und mit ihnen hier wohnen, wenn du magst. Es ist Platz für alle da, und du bist immer willkommen. Schließlich gehört diese Ranch jetzt auch mir.«
    Nachdem sie aufgelegt hatte, stellte Marybeth fest, dass während des Gesprächs jemand angerufen hatte. Ihr Herz tat einen Satz. Doch als sie die Nachricht abhörte, war nur ein Atmen zu vernehmen. Laut Anrufererkennung kam der Anruf aus einer Gegend mit 720er-Vorwahl.
    Nachdem ihre Töchter im Bett waren, räumte Marybeth die Küche auf und fühlte sich dabei irgendwie unruhig. Warum hatte Joe sich nicht gemeldet? Der Ärger über ihn war größer als ihre Sorge. Dass er nicht anrief, wurde langsam richtiggehend zur Gewohnheit.
    Als wäre ein Damm gebrochen, tauchten nun unschöne Gedanken auf, die rasch zu einem Fluss, ja einem reißenden Strom anschwollen. Sie war wirklich böse auf Joe. Sicher, sie hatte ihm zugeredet, die Gelegenheit zu ergreifen, doch während sie sich daheim mit Sheridans Allüren und einem toten Kitz im Vorgarten herumschlagen musste, war er in einem Ferienort. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, wie er essen ging, neue Erfahrungen machte und interessante Menschen kennenlernte. Seine Tage waren so erfüllt und abwechslungsreich, dass er keine Zeit oder Gelegenheit fand, sie anzurufen. Und sie saß in diesem beschissenen kleinen Haus am Rande dieser beschissenen Kleinstadt fest! Er hatte sie hier sitzen lassen, in einem Leben, das sich allein um ihn drehte. Sollte sie doch mit ihrem Buchhaltungsbüro, der Familie, seinen Verantwortlichkeiten und dem spärlichen Scheckbuch klarkommen! Sie war einmal eine vielversprechende Jurastudentin gewesen. Jetzt war sie diejenige, die Joe Pickett das Leben erleichterte, seine unbezahlte Assistentin. Sie saß fest, während die Welt wie ein Schiff am Horizont davonsegelte. Bald, dachte sie, ist es zu weit weg, als dass ich es jemals wieder erreichen könnte.
    Mit ihrer Mutter zu reden, hatte nicht geholfen. Ganz und gar nicht.
    Vielleicht sollte ich ihrem Beispiel folgen, überlegte sie, Mann für Mann ausmustern und mich hocharbeiten. Immerhin hat es Missy auf diese Weise erstaunlich weit gebracht. »Es ist Platz für alle da«, hatte sie gesagt. »Schließlich gehört diese Ranch jetzt auch mir.« Und was besaß Marybeth? Einmal abgesehen von ihren Töchtern, natürlich? Sie blickte sich um. Selbst ihr Haus gehörte dem Staat Wyoming.
    Sie ertappte sich dabei, im Glas der Mikrowell e ihr ei genes Spiegelbild anzustarren. Sie wirkte zornig und verzweifelt. Und schuldig.
    Joe tat sein Bestes. Das tat er immer. Und doch konnte sie nicht anders, als sich zu fragen, wann Nate wieder auftauchen und bei ihr zu Abend essen würde.

23. KAPITEL
    Das weitläufige Anwesen von Dr. Shane Graves lag fünf Kilometer abseits der Landstraße

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