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Todfeinde

Todfeinde

Titel: Todfeinde Kostenlos Bücher Online Lesen
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einen kleinen See mit dem einfallslosen Namen State Lake.
    Er brachte die Pferde auf die Koppel, schleppte die Satteltaschen in die nicht unterteilte Hütte, öffnete die Läden der beiden gesprungenen Fenster und heizte den alten Holzofen ein. Er arbeitete zügig, um bei Sonnenuntergang auf der Veranda einen Bourbon genießen zu können, musste aber erst noch Mäusedreck von Boden und Tresen fegen und ein Nest vom Schornstein entfernen. Als er sich schließlich warmen Bourbon aus dem Flachmann in den Metallbecher goss, war die Sonne bereits im State Lake versunken.
    Während ein Steak und Bratkartoffeln in gusseisernen Pfannen brutzelten, nippte Joe an seinem Drink und machte sich mit der Behausung vertraut. Die Stämme der Blockhütte waren im Laufe der Jahre grau und rissig geworden, und die Ritzen hätten längst neu abgedichtet werden müssen. Rostige Nägel dienten zum Aufhängen von Kleidung und Ausrüstung. Ein Kalender von 1963 war nie ersetzt worden. Das schmale Bett bestand aus einem alten Metallrahmen und einer dünnen, mit den Jahren grau und schmutzig gewordenen Matratze. Joe blätterte in einem abgenutzten Gästebuch, das die Besucher und Bewohner der letzten zwei Dekaden aufführte, stieß auf die Namen von Jagdaufsehern und Biologen und entdeckte einen fünfzehn Jahre alten Eintrag von Trey Crump. Die Einträge auf den letzten anderthalb Seiten stammten ausschließlich von Will Jensen. Joe staunte, dass der letzte gerade einmal drei Wochen zurücklag.
    Irgendwie hatte Joe gar nicht bedacht, dass auch sein Vorgänger die Hütte genutzt hatte. Mehr noch: Will hatte sogar die Woche vor seinem Tod darin verbracht.
    Joe besah sich die letzte Unterschrift. Obwohl sie nach Wills Klaue aussah (er hatte inzwischen so viel in dessen Gekrakel gelesen, dass er sich diesbezüglich als Fachmann fühlte), war der Name mit zittriger und unsicherer Hand geschrieben. Die Buchstaben wiesen ungewohnte Schlaufen auf und folgten nicht der Lineatur. Und da war noch etwas, allerdings so klein, dass er das Gästebuch an die Propanlampe halten musste, um es zu erkennen. Erst dachte er, Will habe einen Punkt hinter seinen Namen gesetzt, doch es handelte sich nicht um ein Satzzeichen, sondern um einen winzigen Buchstaben, um ein »S«, das er von der Einladungskarte kannte, die er zwei Tage zuvor bekommen hatte.
    Joe ließ das Buch sinken. Stella war mit ihm hier oben gewesen? Wie konnte sie das wagen? Und er? Unwillkürlich wandte er den Kopf zum Bett um und stellte sich Stella darin vor. Er war eifersüchtig auf Will und beschämt über sich selbst.
    Dann kam ihm etwas in den Sinn. Eilig ging er zum Bett und klappte die alte Matratze hoch. Da war es: Wills letztes Notizbuch.
    Und noch etwas: ein Wiehern vor der Hütte, gefolgt von einem tiefen, kehligen Husten.
    »He, Neuer! Bei Ihnen riecht’s aber gut! Und ich hab ’ne schöne Flasche dabei!«
    Als er Smokes Stimme erkannte, zog sich Joe der Magen zusammen, und sein Mund wurde trocken. Er warf das Notizbuch zurück unter die Matratze, drehte sich zur Tür und registrierte, dass die Schrotflinte griffbereit in der Ecke stand. Ob Smoke ihn zum Clear Creek hinunterreiten und auf die Lichtung hatte gehen sehen und nun dafür sorgen wollte, dass er seine Entdeckung niemandem mitteilen konnte?

27. KAPITEL
    Sheridan hatte mitbekommen, was ihre Mutter und Nate bezüglich der Anrufe mit der 720er-Vorwahl planten. Obwohl das Vorhaben sich gut anhörte, war sie nicht sehr erfreut darüber. Aber eigentlich war sie momentan mit so ziemlich allem unzufrieden.
    Nate aß nun schon zum dritten Mal in dieser Woche mit ihnen zu Abend. Sheridan hatte sofort bemerkt, dass ihre Mutter die guten Teller aus der Speisekammer benutzte, die sonst nur an Feiertagen oder bei besonderen Gästen auf den Tisch kamen. Die ausgelassene Art, in der Marybeth und Nate miteinander redeten, Lucy und sie aber übergingen, ärgerte sie. Und ihr war aufgefallen – denn es war unübersehbar – , wie aufmerksam ihre Mutter bei allem war, was Nate betraf, wie sie ihm Fragen stellte und Dinge sagte wie: »Möchten Sie noch was? Ich hab wohl zu viel davon gemacht.« Oder: »Ich hab noch nie erlebt, dass es jemandem bei mir so gut schmeckt.«
    Vielleicht, dachte Sheridan, würde Dad es ja ebenso genießen, wenn ihre Mutter sich für ihn so ins Zeug legen und die guten Teller benutzen würde? Als sie das ihrer Mutter vor Nates Ankunft gesagt hatte, hatte sie nur einen vernichtenden Blick geerntet.
    Sheridan hatte die

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