Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi
Drängeln von einem Blick auf die Uhr.
In dem Glauben,
einen Scherz zu machen, fragte ich zurück: »Wo muss ich heute graben?«
Mit einem
bedauernden Blick schaute ich noch einmal auf die Karte mit den Tapas.
Eigentlich hatte ich dieses und jenes zum Nachbestellen schon anvisiert. So
steckte ich schnell noch einige Oliven in den Mund, griff nach dem größten
Stück Baguette und legte mein Besteck ebenfalls zur Seite.
Cornelia beugte
sich ein wenig über den Tisch, ein köstlicher Geruch nach Vanille und Aprikose
wehte mich an. »Ich habe ein paar interessante Unterlagen bei meinem Bruder
gefunden. Wirklich spannend! Und damit gehen wir gleich zum Hof Schulze Nüßing
und …«
»Graben?«
»Nein. Jedenfalls
nicht so ziellos. Wir sollten uns mit Matthias mal einen alten Plan anschauen.
Es könnte doch sein, dass alle bislang an der falschen Stelle gegraben haben?«
»Es könnte aber
auch sein, dass es gar keine Leiche gibt.«
Ein heftiges
Kopfschütteln und eine steile Stirnfalte wiesen mich zurecht. »Ich habe das
Tagebuch auch gelesen, es war echt. Ich darf dich an meinen Beruf erinnern.«
»Wird seine
reizende Gattin auch bei unserem Treffen dabei sein?«
Cornelia verdrehte
die Augen.
Als wir auf den
Hof fuhren, lagen die Ställe im Dunkeln. Nur hier und da verriet ein leichtes
Schnauben, dass Leben hinter den Mauern war.
Das Haupthaus
dagegen war hell erleuchtet. Matthias Schulze Nüßing riss die Tür auf, als
hätte er uns schon den ganzen Abend erwartet. Er legte seine Pranken auf
Cornelias Schultern und sagte: »Was finde ich das schön, dass uns dieses Buch
deines Bruders so schnell gleich zweimal zusammenführt.« Mir als Lektor mit
einer Vorliebe für schöne Sätze blieb beinahe die Luft weg. Außerdem hätte ich
am liebsten seine Hände von Cornelias Schultern gefegt. Dabei war Matthias ein
netter Kerl, einer, mit dem man Pferde stehlen und Leichen ausgraben könnte.
Wir setzten uns in
die große Halle, wo der Kamin angenehm prasselte und Wärme spendete.
Unwillkürlich schaute ich zu dem Kreuz, das nun wieder an seinem Platz hing.
Hätte ich gewusst, dass wir heute Abend hier landen, hätte ich das Duplikat
eingesteckt, um die beiden Versionen nebeneinanderlegen zu können.
Matthias fragte
uns, was wir gerne trinken wollten und verschwand für einige Minuten. Mit einer
guten Flasche Rotwein kehrte er zurück. Ungewöhnlich gut, wie ich fand. In
meiner Vorstellung tranken westfälische Landwirte Bier und Korn.
»Meine Eltern
schlafen schon, oder zumindest liegen sie im Bett und schauen fern.« Matthias
grinste und sah dabei erheblich jünger aus. Kaum vorstellbar, dass man mit ihm
in Streit geraten konnte.
Cornelia faltete
nun vorsichtig einen vergilbten Plan auseinander, offensichtlich eine Ansicht
des Hofes in früheren Jahren. Das Haupthaus konnte ich gut erkennen, alles
weitere verschloss sich meinem begrenzten Verständnis für Zeichnungen dieser
Art. Ich lehnte mich zurück und überließ den beiden anderen das Gespräch.
Matthias fuhr mit
seinem Zeigefinger einzelne Gebäude ab und erzählte, wie sie heute aussahen.
Nach dem Roman hätte die Leiche in der Nähe der kürzeren Seitenwand einer
Feldscheune liegen müssen, jener Scheune, die Cornelia und mir Deckung geboten
hatte. Ging man fünf Schritte nach rechts, so kam man zu einem Baum, an dessen
Fuß sich das Grab befinden sollte. An dieser Stelle hatten wir den toten
Hovermann entdeckt.
Cornelia setzte
sich in ihren Sessel zurück und trank einen Schluck Rotwein. Sie dachte laut
nach. »Scheune und Baum stehen doch noch, alles passt zusammen. Warum liegt er
dort nicht? Der Baum, der an eurer Scheune steht, ist doch eine Eiche, oder?«
Matthias
antwortete nicht sofort. Er starrte auf den Plan und fuhr sich mit der rechten
Hand immerfort durch die Haare. »Die Eiche«, murmelte er schließlich, »die
Eiche.«
Plötzlich riss er
den Plan an sich und eilte zur Tür. »Bin gleich wieder da.«
Cornelia warf mir
einen Blick zu und zuckte mit den Schultern. Dann fragte sie unvermittelt: »Und
du? Bist du heute Nachmittag weitergekommen? Wer aus deiner Familie hat das
Kreuz geklaut?«
Ich machte eine
abwehrende Handbewegung. »Mir tun sich gerade familiäre Abgründe auf. Meine
Mutter kann mir nicht einmal sagen, wie ihre Mutter mit Mädchennamen hieß.«
»Nach all dem, was
ich über die Familie Hovermann weiß, entlassen die ihre Familienmitglieder
nicht so schnell aus dem Clan. Wenn deine Großmutter eine geborene
Weitere Kostenlose Bücher