Todgeweiht im Münsterland - Westfalen-Krimi
lieber, Cornelia trug
zum Andenken an mich einen Bogner-Pullover als ein altes, verschlissenes Teil.
Im Übrigen stand ihr der Pullover ausgezeichnet. Richtig niedlich sah sie darin
aus.
Und dann
überschlugen sich die Ereignisse. Auf dem Weg zur Tür klingelte mein Telefon,
und zwar der Festanschluss. Sorgenvoll hasteten wir zurück ins Wohnzimmer, und
ich griff mir den Hörer, ohne aufs Display zu schauen. »Ja?«
»Mein Gott, Junge,
was bist du außer Atem? Warum schläfst du nicht?«
»Mutti, was ist
los?« Ich gab Cornelia ein Zeichen, und sie setzte sich auf einen Stuhl.
»Michael, ich
wollte nur Bescheid geben, dass ich morgen nicht zurückkomme. Du braucht mich
also nicht abzuholen.« Ihre Stimme klang fröhlich, gelassen, jedenfalls nicht
sterbenskrank.
»Gibt es
Komplikationen? Soll ich kommen?«
»Ich bitte dich,
Michael. Mir geht es wunderbar, und der Carlos zeigt mir jetzt Ecken auf der
Insel, die ein Tourist sonst kaum zu sehen bekommt.«
Ich schluckte. Der
Carlos. Wer immer das sein mochte. Ich war keineswegs beruhigt.
»Mutti, du hattest
einen Schwächeanfall, und ich glaube …«
Am anderen Ende
der Leitung, irgendwo in Paguera, lachte meine Mutter herzlich. Dann wurde sie
abrupt ernst und sagte: »Das, mein Junge, war ein Test für den Harald, den er
nicht bestanden hat. Der Knabe kann überhaupt keine Verantwortung übernehmen.
Aber warum soll ich mir jetzt meine Reise kaputtmachen lassen? Ich bleibe
hier.«
»Und der Carlos?«,
fragte ich unschuldig.
»Der Carlos ist
unser Reiseführer. Mach dir mal keine Sorgen um mich.«
»Ich habe übrigens
einiges herausgefunden, Mutti.«
Cornelia machte
mir ungeduldige Handzeichen, die ich zu ignorieren versuchte. Immerhin war es
vielleicht das letzte Mal, dass ich mit meiner Mutter sprechen konnte.
»Wusstest du, dass
deine Mutter eine Zwillingsschwester hatte und tatsächlich Hovermann hieß?«
»Wirklich? Hieß
diese Schwester Lisbeth?«
»Du hast es also
doch gewusst?«
»Nein, aber ich
habe einige Unterlagen meiner Mutter, und dort taucht immer wieder der Name
Lisbeth auf.« Sie seufzte kurz. »Ich zeig dir alles, wenn ich wieder zurück
bin, jetzt muss ich Schluss machen.« Sie lachte leise. »Mach dir keine Sorgen,
mein Sohn, was ich hier tue, hat mehr mit Genuss denn mit Verlust zu tun.
Ciao.«
Meine
Abschiedsworte konnte sie schon nicht mehr hören, da sie bereits aufgelegt
hatte.
»Jetzt komm
endlich, sonst brennt der Hof ohne uns ab.«
Waren Frauen
früher nicht zartbesaiteter, irgendwie empathischer?
Im Auto erklärte
Cornelia mir dann, dass sie die Brandstiftung – wenn wir mal davon ausgingen –
für ein Ablenkungsmanöver hielt.
»Ich wette, auf
dem Hof herrscht ein Wahnsinnsgetümmel und vor allem viel Lärm. Für unseren
Mörder ist dies praktisch die einzige Möglichkeit, in die abseits gelegene
Scheune einzubrechen, den Boden aufzustemmen und nach der Leiche von Clemens zu
suchen. Dabei verursacht er schließlich auch einen ziemlichen Lärm, aber dann
hört man ihn nicht.«
Ich starrte sie so
lange an, wie ich mir das beim Fahren erlauben konnte, und fragte schließlich:
»Du rechnest damit, dass unser Mörder bereits in der Scheune aktiv ist?«
Sie nickte
grimmig. »Er hat bestimmt gewartet, bis der Rummel am heftigsten ist, um dann
loszulegen.«
Sie konnte recht
haben. Der Mann besaß die Pläne und wusste, an welcher Stelle er suchen musste.
Wie lange würde es dauern, einen alten Betonboden aufzustemmen, wenn man das
nötige Werkzeug mitgebracht hatte? Eine halbe Stunde? Mit dem Graben vielleicht
eine ganze Stunde. Ich konnte nur raten, ich war nie ein großer Handwerker.
Aber bei einem Freund habe ich einmal eine Terrasse mit dem Presslufthammer
bearbeitet. Man hat dieses rüttelnde Ding in beiden Händen und hält es auf den
Boden. Dabei vibriert der gesamte Körper in einer Art und Weise, als habe man
weder Knochen noch Gelenke, sondern nur haltloses Fleisch. Wenn man sich dann
an das Rütteln und Schütteln gewöhnt hat, wird man sich selbst unheimlich. Ich
fühlte mich plötzlich wie Rambo oder der Terminator und drehte mit dem Ding in
der Hand grinsend meine zerstörerischen Runden. In meiner gesamten Jugend- und
Flegelzeit hatte ich nicht so schnell so viel kaputt bekommen.
»Ich will ja nicht
langweilig wirken, aber sollten wir nicht Delbrock Bescheid geben? Wer weiß
schon, wie viel Waffen der Täter diesmal bei sich trägt.«
Zu meiner
Beruhigung zog sie kommentarlos ihr Handy heraus, suchte eine
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