Todsünde (German Edition)
aufgedeckt. Das, was sie als gut und selbstverständlich erachtet hatte, hatte sich als größte Unwahrheit aller Zeiten erwiesen.
„Miss Scott, hatten Sie wirklich keine Ahnung? Nicht einmal einen Verdacht?“
Lindsay schüttelte enttäuscht den Kopf. „Nein, das hätte ich nie und nimmer von Jess gedacht, dass sie mir so etwas antun würde. Ich muss ein ziemlich dummer Mensch sein, oder? Ich habe wohl eine ganz schreckliche Menschenkenntnis.“
„Seien Sie nicht so hart zu sich selbst, Sie waren vielleicht etwas naiv, aber doch nur, weil sie den Menschen, die Sie lieben, vertraut haben. Das sollte man im Normalfall auch können. Und bei Ihrem Bruder haben Sie doch richtig gelegen. Am besten nehmen Sie ihn jetzt und gehen nach Hause. Erholen Sie sich von dem Trouble der letzten Tage und lassen Sie uns den Rest erledigen. Wir werden alles in unserer Macht stehende tun, um den Mörder zu fassen.“
„ Okay, ich danke Ihnen vielmals“, sagte Lindsay und stand auf. Dann hatte sie doch noch eine letzte Frage: „Detective? Das heißt also, Jess war die Letzte, die Robert lebend gesehen hat?“
„Wie es aussieht, ja.“
„Und glauben Sie, dass sie etwas mit dem Mord zu tun hat?“
„Wir können nichts ausschließen, wir werden die Möglichkeit in unsere Ermittlungen einschließen.“
Lindsay nickte und machte sich auf den Weg zu Tommy.
Sobald sie an der frischen Luft waren, platzte es aus ihr heraus: „Kannst du dir das vorstellen? Dass Jess was mit Robert hatte?“
„Ist das denn sicher?“, fragte Tommy.
„Sie hat es anscheinend zugegeben. Ich kann das gar nicht glauben, wie kann sie mir so was nur antun?“
„Du solltest mit ihr reden.“
„Ich werde kein Wort mehr mit ihr reden, ich will sie nie wiedersehen, diese Schlange!“
„Warum bist du so sauer auf sie, weil sie mit Robert geschlafen hat, wo du sogar darüber nachgedacht hast, Robert zu verzeihen?“, wollte Tommy wissen.
Lindsay sah ihn an. Da war schon was dran. Doch wieso sie überhaupt darüber nachgedacht hatte, Robert verzeihen zu können, war ihr inzwischen schleierhaft. Jetzt hatte ihr ja eh jemand die Entscheidung abgenommen und sie musste nicht mehr darüber nachdenken.
„Lass uns schnell nach Hause gehen, Schwesterchen. Ich brauche dringend eine Dusche und was zu essen. Hast du noch was von deinen berühmten Spaghetti Carbonara übrig?“
9
„Hi Mom“, sagte Lindsay und gab ihrer Mutter einen Kuss auf die Stirn. Es war Donnerstag, vier Tage nachdem Robert gestorben war, fünf Tage nachdem sie ihn zuletzt gespürt hatte. Unfassbar, dass es erst eine Woche her war, dass sie Robert verfolgt und mit diesem blonden Flittchen erwischt hatte.
Lindsay hatte sich den Rest der Woche frei genommen. Maurice hätte ihr das sicherlich auch befohlen, schlimm wie sie aussah. Doch zu Hause war ihr so langsam die Decke auf den Kopf gefallen, und so hatte sie sich auf den Weg nach Queens gemacht, um ihre Mom zu besuchen.
Auf dem Weg dorthin hatte ihr Handy wieder einmal gepiept. Eine Nachricht von Jess, die sie ungelesen löschte.
Molly hatte ihr die Tür geöffnet. Die gute alte Molly, die etwas pummelig, aber immer so herzensgut und freundlich war, dass man sie einfach gern haben musste. Sie war wie ein kleines Kaninchen, dem man nichts Böses anhaben, sondern es nur knuddeln wollte.
Molly war schon die längste Zeit Pflegerin von Lindsays Mom, und Lindsay mochte sie am allerliebsten. Seth, der schüchterne Junge Anfang zwanzig, der gerade seine Ausbildung zum Krankenpfleger beendet hatte, war auch in Ordnung. Wen Lindsay absolut nicht ausstehen konnte, war Karen, die Nachtschicht. Aber da sie eh nur da war, wenn ihre Mom schlief, hatte sie sich noch nicht über sie beschwert. Hätte sie ihrer Mom diese Zimtzicke den ganzen Tag zumuten müssen, wäre das bestimmt schon geschehen, denn diese Hochnäsigkeit und die Lieblosigkeit, die sie rüberbrachte, waren einfach nicht zu übersehen.
Tommy allerdings empfand das ganz anders, er hatte Lindsay schön öfter gesagt, wie gern er Karen mochte. Lindsay hatte ja das Gefühl, dass Tommy richtig auf Karen stand, es nur nicht zugeben wollte. Ja, sie war ganz hübsch, ihre Nase war vielleicht ein bisschen zu spitz und ihre Augenbrauen etwas zu dick, ihre Haare etwas zu unbändig und ihr Hintern etwas zu breit, aber das empfand Lindsay sicher nur so, weil sie ständig diese Topmodels um sich hatte.
Für Tommy war jemand wie Karen sicher eine Schönheit. Lindsay hätte auch gar nichts
Weitere Kostenlose Bücher