Todsünde (German Edition)
Sie aufgewacht? Ich wusste nicht, ob ich Sie wecken sollte, ob Sie noch etwas vorhaben.“
„Schlafen war das Beste, was ich vorhaben hätte können“, sagte Lindsay. „Was esst ihr da Schönes?“
„Brot und Tomatensalat. Möchten Sie auch etwas?“
„Gern.“ Lindsay lächelte. Sie fühlte sich erholt wie lange nicht mehr. Auch wenn der Schmerz noch immer tief saß.
Sie saßen still beisammen und aßen, als „You make me feel like a natural woman“ ertönte. Lindsays Handy-Klingelton. Sie drückte den Anrufer gleich weg, es war nur wieder Jess und sie fühlte sich noch immer nicht in der Lage, mit ihr zu sprechen. Noch nicht.
Dann verabschiedete sich Lindsay von ihrer Mom und dankte Seth. Als sie zur Tür gehen wollte, wurde diese geöffnet. Sie erschrak. In letzter Zeit fuhr sie sehr oft zusammen, hatte Angst vor allem und jedem. Der Mörder von Robert lief immerhin noch frei herum.
Es war nur Karen. Lindsay sah auf ihre lederne Armbanduhr. Kurz vor acht. Karens Schicht fing doch erst um zehn an?
„Oh, hallo, Karen, was machen Sie denn schon hier?“
„Ich habe Seth versprochen, heute schon früher zu übernehmen, er hat was vor.“
Ah, ein Date also, dachte Lindsay und lächelte insgeheim.
„Mein kleiner Bruder hat eine Schulaufführung“, stellte Seth aber sofort richtig. Er schob gerade Martha im Rollstuhl durch den Flur, um sie bettfertig zu machen.
„Was führt er auf?“, fragte sie.
„Ein Theaterstück. Er ist Abraham Lincoln.“
„Oh, wow, dann wünsche ich ihm viel Glück. Und dir viel Spaß!“
„Danke“, sagte er und schob ihre Mutter davon.
Karen sah sie wieder so an. Am liebsten hätte sie etwas gesagt, sie gefragt, was sie nur gegen sie hatte. Doch sie hatte im Moment schon genug Probleme am Hals, das konnte warten.
10
Am Montag beschloss Lindsay, wieder zur Arbeit zu gehen. Sie hatte auf dem Revier angerufen und nach Detective Danes verlangt. Aber die hatte ihr auch nichts Neues berichten können. Sie waren weiterhin auf der Suche nach dem Mörder, doch der hatte weder Fingerabdrücke noch sonst irgendwelche Spuren hinterlassen. Dafür waren in Roberts Schlafzimmer etliche verschiedene Fingerabdrücke und andere Spuren von Frauen gefunden worden, denen man nun nachging.
Lindsay war sich jedoch sicher, dass die Spuren am Ende doch nur zu Roberts Schar an Geliebten und noch mehr Demütigung für sie hinführen würden. Sie hatte schon ein wenig Angst davor, Detective Danes je wieder in die Augen zu blicken.
Die Tage vergingen ohne Besonderheiten. Als sie am Freitag auf der Arbeit einen Anruf von der Polizei bekam, machte sie sich auf das Schlimmste gefasst. Gewappnet erschien sie auf dem Revier.
„Und? Haben Sie den Mörder?“
„Nein“, sagte Detective Danes und schüttelte den Kopf. „Aber es gibt eine weitere Leiche.“
Lindsay wurde kreidebleich. „Was?“
„Es handelt sich um Jessica Hunter, sie wurde heute Morgen tot in ihrer Wohnung aufgefunden ...“
Jess??? Lindsay fühlte nur noch, wie ihr unglaublich schwindelig wurde. Ihr wurde schwarz vor Augen und sie kippte vom Stuhl.
Als sie wieder zu sich kam, lag sie auf einer Liege in einem kleinen Zimmer. Neben ihr saß ein Officer, der sogleich ging und Detective Danes holte.
„Wie geht es Ihnen? Fühlen Sie sich besser? Brauchen Sie einen Arzt?“
Lindsay schüttelte den Kopf und merkte, dass sie das lieber hätte lassen sollen. Er dröhnte unwahrscheinlich. Sie fasste sich an die Schläfen und dann kam wieder die Schocknachricht zurück. Jess war tot!
„Jess ist tot?“, fragte sie, nur um sicherzugehen, dass sie auch richtig verstanden hatte.
„Ja, es tut mir leid.“
„Und sie wurde ebenfalls ermordet?“
„Ja“, antwortete Detective Danes.
„Sind Sie sicher?“
„Ja.“
„Und … war es derselbe Mörder?“
„Auch das wissen wir mit ziemlicher Gewissheit. Miss Scott, fühlen Sie sich in der Lage, sich ein Foto des Tatorts anzusehen?“
Oh Gott, wollte sie ihr jetzt etwa auch noch ein Bild von Jess Leiche zeigen?
Was blieb ihr denn übrig? Sie nickte und Detective Danes ging los und holte einen weiteren Umschlag.
Kurz darauf sah Lindsay eine tote Jess auf ihrem Badezimmerboden liegen, die Buchstaben W-O-L-L-U-S-T quer über die Brüste geritzt.
„Oh mein Gott, oh mein Gott … oh nein, Jess, oh nein, und ich … ich … hatte solch eine Wut auf sie ...“
„Machen Sie sich keine Vorwürfe.“
„Sie wollte mit mir sprechen. Sie hat ein paarmal versucht,
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