Todsünde (German Edition)
mich anzurufen, doch ich habe immer abgeblockt. Was, wenn sie einen Verdacht hatte, was, wenn sie mir irgendetwas Wichtiges erzählen wollte?“
„Hätte sie einen Verdacht gehabt, dann wäre sie damit zu uns gekommen.“ Die Frau sah Lindsay nun direkt ins Gesicht. „Es ist nicht Ihre Schuld!“
„Woher wollen Sie das wissen? Woher wollen Sie wissen, dass ich sie nicht ermordet habe? Woher wollen Sie wissen, dass ich nicht auch Robert ermordet habe? Ich habe kein Alibi, ich war allein zu Haus.“
„Wir wissen, dass Sie nichts damit zu tun hatten, weil wir Sie überwacht haben, aus eben diesen Gründen, die Sie schon aufgeführt haben. Sie waren eine Verdächtige im Fall Robert Geller, doch der Mord an Jessica Hunter wurde in den letzten 24 Stunden verübt, und in denen hat ein Officer Sie überwacht. Sie waren es nicht. Nur sieht die Lage jetzt natürlich ganz anders aus. Es geht ein Serientäter reihum. Und alle Opfer haben eine Verbindung zu Ihnen gehabt. Nun stellt sich natürlich die Frage, ob der Täter es auf ein weiteres Opfer abgesehen hat, und wer das sein könnte.“
Lindsay schluckte schwer. „Denken Sie, ich könnte die Nächste sein?“
„Ich weiß es nicht. Vorsichtshalber werde ich Ihnen Personenschutz zuteilen. Officer Weisman wird Sie weiterhin im Auge behalten, damit Ihnen nichts zustößt. Und wenn Sie Ihrerseits irgendeinen Verdacht hegen, zögern Sie nicht, ihn uns mitzuteilen.“
„Werde ich tun.“
„Miss Scott, fällt Ihnen vielleicht irgendein Name ein? Irgendwer, der es auf Mr. Geller und Miss Hunter abgesehen haben könnte? Irgendeine Verbindung zwischen den beiden?“
„ Außer der offensichtlichen nicht, nein.“
„War Miss Hunter in einer festen Beziehung? Könnte sie einen rachsüchtigen Freund haben?“
„Nein, sie war nicht der Typ für eine feste Bindung.“
Sie dachte an Jess, die sie dachte besser zu kennen als sich selbst. Seit gut zehn Jahren waren sie unzertrennlich. Damals in der High School hatten sie Liebeskummer, schlechte Schulnoten und abgewiesene Collegebewerbungen miteinander durchgemacht, hatten einander beigestanden und sich ewige Freundschaft geschworen. Dann hatte ein einziger Mann das alles zerstört, und Lindsay und Jess hatten sich nicht einmal ausgesprochen. Jetzt war es zu spät.
***
Als Lindsay zu Hause ankam, war Tommy bereits zur Arbeit ins Fitnesscenter gegangen. Sie wusste nicht, ob er überhaupt schon von der schrecklichen Sache mit Jess wusste.
Officer Weisman hatte sie nach Hause gefahren und saß nun unten an der Straße in seinem Auto und beobachtete den Hauseingang. Er hatte ihr gesagt, sollte sich irgendetwas tun, ihr irgendetwas auffällig vorkommen, solle sie sich sofort bei ihm melden.
Am liebsten hätte sie ihn jetzt schon gerufen, denn der Gedanke, nur einen weiteren Moment allein zu sein, bereitete ihr Schrecken.
Sie dachte an Jess, an Robert. Wer hatte ihr diese beiden Menschen genommen, und warum? Wer konnte so krank sein und solche Taten begehen? Für einen kurzen Augenblick hatte sie sogar darüber nachgedacht, es im Schlaf, in Momenten der Abwesenheit, selbst getan zu haben. Man hörte doch immer wieder von Schlafwandlern, die sonst was für verrückte Dinge anstellten.
Detective Danes hatte ihr diese Furcht genommen. Sie war zur Tatzeit zu Hause gewesen. Man hatte sie beobachtet. Doch allein die Tatsache, dass man das getan hatte, bedeutete doch, dass man ebenfalls so etwas vermutet hatte – dass sie die Täterin war.
Was für eine abwegige Vorstellung. Lindsay, die nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun konnte, sollte ein Menschenleben beendet haben – nein, gleich zwei? Sie würde das niemals können und fragte sich, wie irgendjemand einfach hingehen und jemand anderen ermorden konnte, aufschlitzen konnte, jemandem Buchstaben ins Fleisch ritzen konnte.
Ihr wurde wieder übel und sie musste tief durchatmen, um nicht abermals umzukippen. Durchatmen! Ruhig bleiben! Alles ist gut! Das sagte sie sich, doch sie wusste, dass sie sich selbst belog. Nichts war gut, ganz und gar nicht. Und es würde nicht wieder gut sein, bis endlich der Mörder geschnappt wurde. Und selbst dann … würde jemals irgendetwas wieder gut sein? Sie bezweifelte es.
Wie konnte sie weiterleben, wenn zwei der ihr wichtigsten Menschen nicht mehr da waren? Zwei Menschen, die sie verletzt, belogen und hintergangen hatten, die sie aber trotz allem geliebt hatte.
Sie schüttelte den Kopf, ungläubig,
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