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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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würde sie sich daran hochziehen. Maura rechnete jedem Moment damit, dass sie hinterrücks die Treppe hinunterfallen würde, und so blieb sie dicht hinter ihr und zuckte jedes Mal zusammen, wenn die Äbtissin in ihrem schwankenden Anstieg innehielt. »Schwester Jacinta hat ein schlimmes Knie, also wird sie auch nach unten umziehen. Und Schwester Helen ist neuerdings ziemlich kurzatmig. Es sind nur noch so wenige von uns übrig.«
    »So ein großes Haus macht ja sicher auch viel Arbeit«, meinte Maura.
    »Groß und alt.« Die Äbtissin blieb stehen, um einen Moment zu verschnaufen. Mit einem betrübten Lachen fügte sie hinzu: »Alt wie wir selbst. Und so teuer im Unterhalt. Wir dachten schon, wir müssten es verkaufen, aber Gott hat einen Weg gefunden, es uns zu erhalten.«
    »Wie das?«
    »Letztes Jahr hat sich ein großzügiger Spender gefunden. Jetzt haben wir mit den Renovierungsarbeiten begonnen. Das Schieferdach ist neu, und wir haben den Dachstuhl isolieren lassen. Als Nächstes wollen wir eine neue Heizung einbauen lassen.« Sie drehte sich zu Maura um. »Ob Sie es glauben oder nicht, im Vergleich zum letzten Jahr kommt uns das Haus schon richtig wohnlich vor.« Die Äbtissin holte tief Luft und setzte ihren mühevollen Anstieg fort. Sie konnten die Perlen ihres Rosenkranzes klappern hören. »Wir waren einmal fünfundvierzig Schwestern hier im Haus. Als ich damals nach Graystones kam, waren hier alle Zimmer belegt. In beiden Flügeln. Aber heute fehlt es uns an Nachwuchs.«
    »Wie lange sind Sie schon hier, Ehrwürdige Mutter?«, fragte Maura.
    »Ich bin mit achtzehn als Postulantin in den Orden eingetreten. Da gab es einen jungen Mann, der mich gerne geheiratet hätte. Ich fürchte, es hat seinen Stolz sehr verletzt, als ich ihn abwies, um mich Gott zuzuwenden.« Sie blieb auf der Treppe stehen und wandte sich um. Zum ersten Mal bemerkte Maura das Hörgerät unter dem straff anliegenden Schleier. »Das können Sie sich wahrscheinlich nicht vorstellen, oder, Dr. Isles? Dass ich einmal so jung war?«
    Nein, das konnte Maura nicht. Sie konnte sich Mary Clement unmöglich anders vorstellen, als sie sie jetzt vor sich sah: als eine gebrechliche Greisin. Gewiss nicht als begehrenswerte Frau, der die Männer den Hof machten.
    Endlich war die Treppe bewältigt, und ein langer Gang erstreckte sich vor ihnen. Hier oben war es wärmer, fast behaglich, weil sich die warme Luft unter den niedrigen dunklen Decken sammelte. Die freiliegenden Dachbalken sahen aus, als wären sie mindestens hundert Jahre alt.
    Die Äbtissin ging weiter bis zur zweiten Tür und verharrte mit der Hand auf dem Knauf. Endlich drehte sie ihn um und öffnete die Tür. Aus dem Zimmer fiel fahles Licht auf ihr Gesicht. »Das ist Schwester Ursulas Kammer«, sagte sie leise.
    Der Raum war kaum groß genug, um ihnen allen Platz zu bieten. Frost und Rizzoli traten ein, während Maura in der Tür stehen blieb und den Blick über volle Bücherregale und Blumentöpfe mit blühenden Usambaraveilchen schweifen ließ. Das durch einen Mittelpfosten geteilte Fenster und die niedrige Balkendecke verliehen dem Raum eine mittelalterliche Atmosphäre. Eine ordentliche kleine Dachkammer, geeignet für Gebet und stilles Studium, ausgestattet nur mit einem Bett, einer Kommode und einem Schreibtisch mit Stuhl.
    »Ihr Bett ist gemacht«, sagte Rizzoli mit einem Blick auf die säuberlich eingesteckten Laken.
    »So haben wir es heute Morgen vorgefunden«, sagte Mary Clement.
    »Ist sie gestern Abend nicht schlafen gegangen?«
    »Es ist wohl wahrscheinlicher, dass sie sehr früh aufgestanden ist. Wie es ihre Gewohnheit ist.«
    »Wie früh?«
    »Sie ist oft schon Stunden vor den Laudes auf den Beinen.«
    »Den Laudes?«, fragte Frost.
    »Das ist unser Morgengebet um sieben Uhr. Diesen Sommer war sie immer schon in aller Frühe draußen im Garten. Die Gartenarbeit ist ihr Steckenpferd.«
    »Und im Winter?«, fragte Rizzoli. »Was macht sie da so früh am Morgen?«
    »Ob sommers oder winters, es gibt immer viel zu tun – für diejenigen unter uns, die noch arbeiten können. Aber so viele von unseren Mitschwestern sind inzwischen zu gebrechlich.
    Dieses Jahr mussten wir Mrs. Otis für die Arbeit in der Küche einstellen. Und selbst mit ihrer Hilfe können wir den Haushalt kaum noch bewältigen.«
    Rizzoli öffnete die Tür des Wandschranks. Sie erblickten eine schmucklose Kollektion in Schwarz- und Brauntönen. Kein Farbtupfer, keine Verzierung. Es war die Garderobe einer

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