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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Wand, zuckte aber ebenso schnell wieder weg.
    »Ehrwürdige Mutter?«
    Die Frau mit dem fettbespritzten Pullover stand vor der Tür und schaute mit teilnahmslosem, gleichgültigem Blick zu ihnen herein. Noch mehr Strähnen ihres braunen Haars hatten sich aus dem Pferdeschwanz gelöst und hingen ihr wirr um das hagere Gesicht. »Pater Brophy sagt, er ist auf dem Weg hierher, um sich um die Reporter zu kümmern. Aber es haben schon so viele angerufen, dass Schwester Isabel den Hörer ausgehängt hat. Sie weiß einfach nicht, was sie ihnen sagen soll.«
    »Ich komme sofort, Mrs. Otis.« Die Äbtissin wandte sich an Rizzoli. »Wie Sie sehen, haben wir alle Hände voll zu tun. Bitte lassen Sie sich so viel Zeit, wie Sie wollen. Ich bin unten, wenn Sie mich brauchen.«
    »Bevor Sie gehen«, erwiderte Rizzoli, »sagen Sie uns bitte noch, welches Schwester Camilles Zimmer ist?«
    »Es ist die vierte Tür.«
    »Und es ist nicht abgeschlossen?«
    »An diesen Türen gibt es keine Schlösser«, antwortete Mary Clement. »Die hat es noch nie gegeben.«
    Der Geruch von Reinigungsmittel und Bohnerwachs war das Erste, was Maura registrierte, als sie Schwester Camilles Schlafkammer betrat. Wie Schwester Ursulas Zimmer hatte auch dieses ein längs geteiltes Fenster und eine niedrige Decke mit Holzbalken. Aber während man bei Ursula den Eindruck hatte, dass hier tatsächlich ein Mensch aus Fleisch und Blut wohnte, war Camilles Kammer so penibel aufgeräumt und blank geputzt, dass sie steril wirkte. Die weiß getünchten Wände waren kahl bis auf ein hölzernes Kruzifix, das über dem Fußende des Betts hing. Es musste der erste Gegenstand gewesen sein, den Camille morgens erblickt hatte, wenn sie die Augen aufschlug – ein Symbol für ihren einzigen Lebensinhalt. Dies war die Zelle einer Büßerin.
    Als Maura den Fußboden betrachtete, entdeckte sie Stellen, an denen die Dielen durch hartnäckiges Scheuern aufgehellt waren. Sie konnte die junge Camille vor sich sehen, wie sie am Boden kniete und das Parkett mit Stahlwolle abschmirgelte, um – ja, um was zu entfernen? Die Flecken von hundert Jahren? Die Spuren sämtlicher Frauen, die vor ihr hier gewohnt hatten?
    »Junge, Junge«, meinte Rizzoli. »Wenn ihr Herz so rein war wie ihr Zimmer, dann war diese Frau eine Heilige.«
    Maura trat an den Schreibtisch, der vor dem Fenster stand. Ein aufgeschlagenes Buch lag darauf: Die heilige Brigitta von Irland. Eine Biografie. Sie stellte sich vor, wie Camille an diesem kahlen Schreibtisch gesessen und gelesen hatte, während das Licht, das durch die Scheibe fiel, auf ihrem fein geschnittenen Gesicht gespielt hatte. Sie fragte sich, ob Camille je an besonders warmen Tagen ihren weißen Novizinnenschleier abgelegt und sich barhäuptig ans Fenster gesetzt hatte, um sich die warme Brise durch das kurz geschorene blonde Haar wehen zu lassen.
    »Hier ist Blut«, sagte Frost.
    Maura drehte sich um und sah, dass er am Bett stand und auf die zerknitterten Laken hinunterblickte.
    Rizzoli zog die Decke zurück. Auf dem Bettbezug waren mehrere dunkelrote Flecken zu sehen.
    »Menstruationsblut«, sagte Maura. Sie registrierte, wie Frost errötete und das Gesicht abwandte.
    Das Läuten der Glocke lenkte Mauras Blick wieder zum Fenster. Sie beobachtete, wie eine Nonne aus dem Haus herauskam, um die Pforte zu öffnen. Vier Besucher in gelben Regenjacken betraten den Hof.
    »Die Spurensicherung ist da«, sagte Maura.
    »Ich gehe runter und nehme sie in Empfang«, erwiderte Frost und verließ das Zimmer.
    Immer noch fiel Eisregen vom Himmel; die gefrorenen Tropfen schlugen knisternd gegen die Fensterscheibe, und eine Reifschicht verzerrte die Sicht auf den Hof. Maura sah verschwommen, wie Frost aus dem Gebäude trat, um den Trupp der Kriminaltechniker zu begrüßen. Wieder eine Gruppe von Eindringlingen, die den Klosterfrieden störten. Und jenseits der Mauer warteten noch andere darauf, es ihnen gleichzutun. Sie sah einen Übertragungswagen des Fernsehens im Schritttempo an der Pforte vorbeifahren, zweifellos mit laufender Kamera. Wie hatten sie so schnell hierher gefunden? War der Geruch des Todes so überwältigend?
    Sie wandte sich zu Rizzoli um. »Sie sind doch katholisch, Jane, nicht wahr?«
    Rizzoli, die immer noch Camilles Kleiderschrank durchstöberte, schnaubte verächtlich. »Ich? Den Religionsunterricht habe ich jedenfalls immer geschwänzt.«
    »Wann haben Sie aufgehört, an Gott zu glauben?«
    »Ungefähr um die Zeit, als ich auch aufgehört

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