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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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beugte sich vor und sah ihm direkt ins Gesicht.
    »Wie viel hat Octagon Chemicals Ihrer Organisation dieses Jahr gespendet, Dr. Banks?«
    Victor hob den Wasserbecher an die Lippen und trank, wofür er sich auffallend viel Zeit ließ.
    »Wie viel?«
    »Es war ... es war eine achtstellige Summe.« Er sah Crowe an. »Ich hätte gerne noch etwas Wasser, wenn’s geht.«
    »Eine achtstellige Summe?«, wiederholte Rizzoli. »Wie wär's denn mit fünfundachtzig Millionen Dollar?«
    »Das könnte hinkommen.«
    »Und im Jahr davor hat Octagon Ihnen gar nichts gespendet. Was hat sich denn in der Zwischenzeit geändert? Hat Octagon Chemicals plötzlich sein humanitäres Gewissen entdeckt?«
    »Da müssen Sie die Leute schon selbst fragen.«
    »Ich frage aber Sie.«
    »Ich hätte wirklich gerne noch einen Schluck Wasser.«
    Crowe seufzte, nahm den leeren Becher und ging damit hinaus. Jetzt war Rizzoli mit Victor allein im Zimmer.
    Sie rückte noch näher heran, so nahe, dass es ihm unangenehm sein musste. »Es dreht sich alles um das Geld, nicht wahr?«, sagte sie. »Fünfundachtzig Millionen Dollar sind eine satte Abfindung. Da muss für Octagon einiges auf dem Spiel gestanden haben. Und für Sie gab es offensichtlich sehr viel zu gewinnen, indem Sie das Spiel mitmachten.«
    »Welches Spiel?«
    »Schweigen und kassieren. Sie mussten nur Octagons schmutziges Geheimnis für sich behalten.«
    Sie griff nach einer anderen Akte und warf sie vor ihn auf den Tisch. »In der Fabrik, die Octagon dort betrieb, wurden Pestizide hergestellt. Nur anderthalb Meilen von Bara entfernt lagerten mehrere Tonnen Methylisocyanat. Die Fabrik wurde letztes Jahr geschlossen, wussten Sie das? Unmittelbar nach dem Überfall auf Bara hat Octagon die Fabrik aufgegeben. Einfach das ganze Personal abgezogen und die Gebäude niederreißen lassen. Angst vor Terroranschlägen, so lautete die offizielle Begründung. Aber das glauben Sie doch selbst nicht, oder?«
    »Ich habe nichts mehr zu sagen.«
    »Es war kein Massaker, das die Dorfbevölkerung ausgelöscht hat. Und es war auch kein Terroranschlag.« Sie wartete einen Moment und fügte dann mit leiser Stimme hinzu: »Es war eine Industriekatastrophe.«

20
    Victor saß reglos auf seinem Stuhl. Er sah Rizzoli nicht an.
    »Sagt Ihnen der Name ›Bhopal‹ irgendetwas?«
    Es dauerte einen Moment, ehe er antwortete. »Ja, natürlich«, sagte er leise.
    »Erzählen Sie mir, was Sie darüber wissen.«
    »Bhopal in Indien. Die Union-Carbide-Katastrophe von 1984.«
    »Wissen Sie, wie viele Menschen damals ums Leben gekommen sind?«
    »Es waren ... Tausende, glaube ich.«
    »Rund sechstausend Menschen«, sagte sie. »Aus dem Werk der Firma Union Carbide war eine Giftgaswolke ausgetreten und hatte sich auf die schlafende Stadt Bhopal gelegt. Am nächsten Morgen waren sechstausend Menschen tot. Hunderttausende trugen Verletzungen davon. Bei so vielen Überlebenden, so vielen Zeugen, konnte die Wahrheit nicht vertuscht werden. Sie konnte nicht unterdrückt werden.« Sie blickte auf das Foto herab. »Anders als in Bara.«
    »Ich kann mich nur wiederholen. Ich war nicht dort. Ich habe es nicht gesehen.«
    »Aber Sie können sich doch sicherlich denken, was passiert ist. Wir warten zurzeit noch darauf, dass Octagon eine Liste seiner Angestellten herausgibt, die in dieser Fabrik gearbeitet haben. Einer von ihnen wird irgendwann mit Sicherheit reden. Einer von ihnen wird bestätigen, dass es so gewesen ist. Es ist die Nachtschicht, und einer der überarbeiteten Angestellten passt einen Moment lang nicht auf. Oder er schläft am Schaltpult ein, und ffft! – schon ist die Giftgaswolke draußen und wird vom Wind fortgeweht.« Sie hielt einen Moment inne. »Wissen Sie, wie der menschliche Körper auf Kontakt mit Methylisocyanat reagiert, Dr. Banks?«
    Natürlich wusste er es. Er musste es wissen. Doch er gab keine Antwort.
    »Es ist stark ätzend, und schon die bloße Berührung mit der Haut kann zu Verbrennungen führen. Also können Sie sich vielleicht vorstellen, was es mit den Schleimhäuten Ihrer Atemwege und Ihrer Lungen anrichtet, wenn Sie es inhalieren. Sie beginnen zu husten, Ihr Hals schmerzt, und Ihnen wird schwindlig. Und dann kriegen Sie keine Luft mehr, weil das Gas Ihnen buchstäblich die Schleimhäute wegätzt. Sie werden regelrecht durchlöchert, und Flüssigkeit dringt in Ihre Lungen ein. Das nennt man ein Lungenödem. Sie ertrinken in Ihren eigenen Körpersekreten, Dr.Banks. Aber das wissen Sie ja sicherlich

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