Todsünde
ein blauer Toyota; er steht in der Parkgarage, Ebene drei. Nun sagen Sie bloß nicht, dass ich Ihnen Schwierigkeiten mache.«
Frost ging mit Victor zum Aufzug. Maura wollte ihnen folgen, doch Rizzoli zupfte sie am Ärmel.
»Jetzt müssen Sie leider das Feld räumen«, sagte sie. »Ich habe Sie doch schließlich zu ihm geführt.«
»Und deshalb dürfen Sie nicht dabei sein.«
»Ich war einmal mit ihm verheiratet.«
»Genau. Sie müssen jetzt zur Seite treten und den Rest uns überlassen. Das wissen Sie selbst.«
Natürlich wusste sie das.
Sie folgte ihnen dennoch nach unten. Mit ihrem eigenen Wagen fuhr sie ihnen nach bis zum Polizeipräsidium. Sie konnte ihn auf dem Rücksitz von Frosts Wagen sehen. Nur einmal, als sie an einer roten Ampel warteten, drehte er sich zu ihr um. Für ein paar Sekunden trafen sich ihre Blicke durch die Scheiben. Dann wandte er sich ab und sah sie nicht mehr an.
Bis sie einen Parkplatz gefunden und das Gebäude betreten hatte, waren sie schon mit Victor nach oben gefahren. Maura nahm den Fahrstuhl in den ersten Stock und steuerte gleich die Räume der Mordkommission an.
Barry Frost trat ihr in den Weg. »Sie können da jetzt nicht rein, Doc.«
»Wird er schon verhört?«
»Rizzoli und Crowe kümmern sich darum.«
»Ich habe Ihnen Victor ausgeliefert, verdammt noch mal! Lassen Sie mich wenigstens hören, was er zu sagen hat. Ich könnte doch vom Nebenzimmer aus zuhören.«
»Sie müssen leider hier warten.« Mit sanfter Stimme fügte er hinzu: »Bitte, Dr. Isles.«
Sie sah das Mitgefühl in seinen Augen. Von allen Detectives der Mordkommission war er der Einzige, der mit einem freundlichen Blick ihren Protest zum Verstummen bringen konnte.
»Warum setzen Sie sich nicht so lange da drüben an meinen Schreibtisch?«, schlug er vor. »Ich bringe Ihnen eine Tasse Kaffee.«
Sie ließ sich auf einen Stuhl sinken und betrachtete das Foto auf Frosts Schreibtisch – seine Frau, wie sie vermutete. Eine hübsche Blondine mit aristokratischen Wangenknochen. Gleich darauf kam er mit einem Becher Kaffee zurück, den er vor sie auf den Tisch stellte.
Sie rührte ihn nicht an. Noch eine ganze Weile saß sie so da, starrte das Foto von Frosts Frau an und dachte über andere Ehen nach. Über glücklichere Paare.
Rizzoli fand Victor Banks unausstehlich.
Er saß am Tisch im Vernehmungsraum und nippte seelenruhig an einem Becher Wasser; seine Haltung wirkte entspannt, ja locker. Er sah gut aus und wusste es auch. Zu gut. Wenn sie ihn so vor sich sah mit seiner abgewetzten Lederjacke und seiner Khakihose, kam er ihr vor wie eine Nobelversion von Indiana Jones – nur die Peitsche fehlte. Und dann hatte er auch noch einen Doktortitel in Medizin und einen untadeligen Ruf als Wohltäter der Menschheit. Kein Wunder, dass die Frauen auf ihn flogen. Sogar Dr. Isles, die im Autopsiesaal immer so kühl und nüchtern zu Werke ging, hatte ihr Herz an diesen Mann verloren.
Und du hast sie nach Strich und Faden belogen, du Mistkerl.
Darren Crowe saß rechts von ihr. Sie hatten zuvor vereinbart, dass Rizzoli grundsätzlich die Fragen stellen würde.
Bisher hatte Victor sich kooperativ, wenn auch recht frostig gezeigt und ihre einleitenden Fragen kurz und knapp beantwortet. Offenbar wollte er die Sache möglichst schnell hinter sich bringen. Und er schien auch nicht allzu viel Respekt vor der Polizei zu haben.
Wenn sie mit ihm fertig war, würde er ihr seinen Respekt nicht mehr verweigern können, das schwor sie sich.
»Also, wie lange sind Sie jetzt schon in Boston, Mr. Banks?«, fragte sie.
»Dr. Banks, bitte. Und wie ich bereits sagte, ich bin seit etwa neun Tagen hier. Ich bin vorigen Sonntagabend mit dem Flugzeug angekommen.«
»Sie sagten, Sie seien zu einer Besprechung nach Boston gekommen?«
»Ja, mit dem Dekan der Harvard School of Public Health.«
»Worum ging es bei dieser Besprechung?«
»Meine Organisation bietet regelmäßig Praktikumsplätze für Studenten diverser Universitäten an.«
»Ihre Organisation, das ist One Earth?«
»Ja. Wir sind eine internationale medizinische Hilfsorganisation und betreiben Kliniken in aller Welt. Selbstverständlich bieten wir Medizinstudenten und angehenden Krankenschwestern oder Pflegern gerne die Möglichkeit, in unseren Kliniken als freiwillige Helfer zu arbeiten. Im Gegenzug profitieren wir von ihren Fähigkeiten und Kenntnissen.«
»Und wer hat das Treffen in Harvard vereinbart?«
Er zuckte mit den Achseln. »Es war ein
Weitere Kostenlose Bücher