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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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tat. Sie musste ihm keine Anweisungen erteilen – sie arbeiteten zusammen, als wären sie schon immer ein Team gewesen. Zweimal wechselten sie sich ab, um ihre Kräfte zu schonen.
    Als der Rettungswagen endlich eintraf, waren Mauras Hosenbeine vom Knien im Schnee schon klatschnass, und trotz der Kälte schwitzte sie. Mit steifen Gliedern richtete sie sich auf und sah erschöpft zu, wie die Sanitäter einen intravenösen Zugang legten und den Tubus in den Hals des Patienten einführten, bevor sie die Trage in den Wagen schoben.
    Inzwischen hatte bereits ein anderer Mitarbeiter des Senders WSVU die Kamera geschultert, die sein Kollege hatte fallen lassen. Die Show muss weitergehen, dachte sie, während sie beobachtete, wie die Reporter den Rettungswagen belagerten. Auch wenn die Top-Story jetzt der Zusammenbruch des eigenen Kollegen ist.
    Sie wandte sich zu dem Priester um, der neben ihr stand. Auch seine Hose war an den Knien von geschmolzenem Schnee durchnässt. »Danke für Ihre Hilfe«, sagte sie. »Das war bestimmt nicht Ihre erste Wiederbelebung, oder?«
    Er lächelte und zuckte mit den Achseln. »Bis jetzt habe ich es nur an einer Plastikpuppe ausprobieren können. Ich hätte nicht geglaubt, dass ich das Gelernte je würde anwenden müssen.« Er gab ihr die Hand. »Ich bin Daniel Brophy. Und Sie sind sicher die Gerichtsmedizinerin?«
    »Maura Isles. Ist das hier Ihr Pfarrbezirk, Pater Brophy?« Er nickte. »Meine Kirche ist drei Straßen weiter.«
    »Ja, ich habe sie gesehen.«
    »Glauben Sie, dass wir den Mann gerettet haben?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Wenn man so lange wiederbelebt, ohne dass man einen Puls bekommt, ist das normalerweise kein sehr gutes Zeichen.«
    »Aber er hat eine Überlebenschance?«
    »Keine sehr gute.«
    »Ich hoffe dennoch, dass unsere Bemühungen nicht umsonst waren.« Sein Blick ging zu den Reportern, die immer noch den Krankenwagen belagerten. »Darf ich Sie zu Ihrem Wagen begleiten? Sonst kommen Sie ja doch nicht hier weg, ohne dass sich Ihnen irgendeine Fernsehkamera in den Weg stellt.«
    »Als Nächstes werden sie sich auf Sie stürzen. Sind Sie darauf vorbereitet?«
    »Ich habe ihnen schon versprochen, dass sie ein Statement von mir bekommen. Ich weiß allerdings nicht so recht, was sie überhaupt von mir hören wollen.«
    »Das sind Kannibalen, Pater Brophy. Sie wollen nichts weniger als ein Pfund von Ihrem Fleisch. Oder noch besser zehn.«
    Er lachte. »Dann sollte ich sie warnen, ich bin nämlich ganz schön zäh.«
    Er ging mit ihr zum Wagen. Die nasse Hose klebte ihr an den Knien, und im eisigen Wind wurde der Stoff bereits hart. Sie würde einen OP-Anzug anziehen und ihre Hose zum Trocknen aufhängen müssen, sobald sie im Institut ankam.
    »Wenn ich nachher mit der Presse spreche«, sagte er, »gibt es da irgendetwas, was ich wissen sollte? Was Sie mir sagen können?«
    »Da müssen Sie sich an Detective Rizzoli wenden. Sie leitet die Ermittlungen.«
    »Glauben Sie, dass dieses Verbrechen ein Einzelfall war? Oder haben andere Pfarrgemeinden auch Grund zur Besorgnis?«
    »Ich nehme nur die Opfer in Augenschein, nicht die Täter. Über die Motive kann ich Ihnen nichts sagen.«
    »Das sind doch ältere Frauen, die sich gar nicht wehren können.«
    »Ich weiß.«
    »Also, was sollen wir ihnen sagen? Ihnen und allen anderen Frauen, die in religiösen Gemeinschaften leben? Dass sie nicht einmal hinter Klostermauern sicher sind?«
    »Hundertprozentige Sicherheit gibt es für niemanden.«
    »Das ist nicht die Antwort, die ich ihnen geben möchte.«
    »Aber es ist die Antwort, die sie hören müssen.« Sie öffnete die Fahrertür. »Ich bin katholisch erzogen worden, Hochwürden. Ich habe immer geglaubt, Nonnen seien unantastbar. Aber ich habe gerade mit eigenen Augen gesehen, was Schwester Camille angetan wurde. Wenn einer Nonne so etwas zustoßen kann, dann ist wirklich niemand mehr unantastbar.« Sie stieg ein. »Viel Glück bei Ihrem Kampf mit der Presse. Sie haben mein volles Mitgefühl.«
    Er schlug die Wagentür zu und blieb stehen, um sie durch das Fenster anzusehen. So eindrucksvoll seine Züge auch waren, es war doch der Priesterkragen, der ihren Blick anzog. Ein schlichtes weißes Band, das ihn aus der Menge heraushob. Das ihn für sie unerreichbar machte.
    Er hob die Hand zum Abschiedsgruß, um sich anschließend zu dem Rudel von Reportern umzuwenden, die bereits auf ihn einstürmten. Sie sah, wie er die Schultern straffte und tief durchatmete. Dann ging er ihnen

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