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Todsünde

Todsünde

Titel: Todsünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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auf ihrem Arm spürte. Es war Rizzoli, die wortlos nach rechts deutete.
    Die Dielen knarrten unter ihren Sohlen, als sie – Rizzoli voran – durch das Dunkel vorrückten.
    »Warten Sie«, flüsterte Maura. »Sollten Sie nicht Verstärkung holen?«
    »Wieso?«
    »Wir wissen ja schließlich nicht, womit wir es hier zu tun haben.«
    »Ich rufe doch keine Verstärkung, nur um festzustellen, dass wir bloß hinter einem blöden Waschbären herjagen ...« Sie blieb stehen und schwenkte die Lampe nach links, dann nach rechts. »Ich glaube, wir sind jetzt über dem Westflügel. Ganz schön warm hier oben. Schalten Sie Ihre Taschenlampe aus.«
    »Was?«
    »Machen Sie sie aus. Ich will was überprüfen.«
    Widerstrebend schaltete Maura ihre Taschenlampe aus. Rizzoli tat es ihr gleich.
    In der plötzlichen totalen Finsternis fühlte Maura, wie ihr Puls raste. Wir können nicht sehen, was um uns herum ist. Was vielleicht in diesem Moment auf uns zukommt. Sie blinzelte, versuchte ihre Augen zu zwingen, sich schneller an die Dunkelheit zu gewöhnen. Und dann sah sie etwas Helles – dünne Lichtfäden, die durch die Ritzen im Boden schimmerten. Hier und da fiel auch ein breiterer Strahl durch ein Astloch oder eine Lücke zwischen den verzogenen Dielen.
    Maura hörte Rizzolis knarrende Schritte. Dann sah sie ihre schemenhafte Gestalt plötzlich in die Knie gehen. Sie drückte das Gesicht an den Boden und verharrte eine Weile in dieser Haltung. Dann lachte sie leise auf. »He, das ist wie damals auf der Revere High, wenn wir heimlich die Jungs in der Umkleide beobachtet haben.«
    »Was sehen Sie da?«
    »Camilles Zimmer. Wir sind direkt darüber. Hier ist ein Astloch.«
    Maura tastete sich durch die Dunkelheit zu der Stelle, wo Rizzoli am Boden kauerte. Sie kniete sich neben sie und spähte durch das Loch.
    Sie konnte direkt auf Camilles Schreibtisch sehen.
    Maura richtete sich auf, und ein Schauder überlief sie, wie eiskalte Finger, die ihr über das Rückgrat strichen. Was immer es ist, was hier oben lauert – es konnte mich sehen, als ich in dem Zimmer war. Es hat mich beobachtet.
    Tapp, tapp, tapp.
    Rizzoli wirbelte so urplötzlich herum, dass sie Maura den Ellbogen in die Seite stieß.
    Mit zitternden Fingern schaltete Maura ihre Taschenlampe ein. Wild zuckte der Strahl hin und her, auf der Jagd nach dem unbekannten Wesen, das hier lauerte. Spinnweben und massive, tief hängende Querbalken blitzten vor Mauras Augen auf und verschwanden wieder in der Schwärze. Es war so warm hier oben, so dumpf und stickig, und das Gefühl, keine Luft zu bekommen, steigerte ihre Panik noch.
    Sie und Rizzoli hatten instinktiv eine Verteidigungshaltung eingenommen und standen Rücken an Rücken. Maura konnte Rizzolis angespannte Muskeln spüren, konnte ihre schnellen Atemstöße hören, als sie die dunklen Winkel absuchten und jeden Moment damit rechneten, in ein funkelndes Augenpaar, eine bedrohliche Fratze zu blicken.
    Maura versuchte so hastig ihre ganze Umgebung zu erfassen, dass sie es beim ersten Mal, als der Lichtkegel ihrer Lampe darüber hinwegglitt, noch übersah. Erst als sie ihn in die andere Richtung schwenkte, wurde der Strahl am äußersten Ende durch eine Unregelmäßigkeit auf dem groben Dielenboden abgelenkt. Sie hielt inne und schaute genauer hin – und konnte nicht glauben, was sie da sah.
    Sie ging einen Schritt darauf zu, und je näher sie kam, desto mehr wuchs ihr Entsetzen. Immer mehr ähnliche Formen tauchten im Lichtkegel auf – der ganze Boden lag voll davon. So viele ...
    Um Gottes willen – es ist ein Friedhof. Ein Friedhof für Neugeborene.
    Der Lichtstrahl wackelte. Sie, die am Autopsietisch stets mit ruhiger Hand das Skalpell geführt hatte, zitterte jetzt am ganzen Leib. Sie blieb stehen und leuchtete mit der Taschenlampe direkt in ein Gesicht. Blaue Augen strahlten sie an, glänzend wie Murmeln. Sie starrte sie an, und nach und nach wurde ihr klar, was sie da vor sich hatte.
    Und sie lachte. Ein halb erstickter Laut der Verblüffung.
    Inzwischen stand Rizzoli schon neben ihr und leuchtete das Gesicht mit ihrer eigenen Lampe an – die rosige Haut, den Schmollmund, die leblosen Augen. »Was haben Sie denn?«, sagte sie. »Das ist ja bloß eine Puppe.«
    Maura ließ den Strahl ihrer Lampe über die anderen Gegenstände gleiten, die auf dem Boden lagen. Sie erblickte glatte Plastikhaut, mollige Gliedmaßen. Glasaugen funkelten sie an. »Es sind alles Puppen«, sagte sie. »Eine ganze Sammlung davon.«
    »Sehen

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