Todtsteltzers Ehre
Steuerung der Maschinen ermöglichten, die Virimonde zerstört hatten. Sein Bewußtsein hatte sich mit dem metallischen Denken der Roboter
und Kriegsmaschinen vermischt, während sie Männer und
Frauen niederrissen, ihr verwundbares Fleisch mit Metallklauen aufrissen und ihre Leiber unter Metallrädern zermalmten. Es
hatte ihn … freudig erregt. Aber sogar Valentin wußte, daß die
erste Kostprobe nicht ohne Grund stets kostenlos verabreicht
wird. Er hatte in seinem Leben viele Drogen konsumiert, aber
nie einer erlaubt, ihn zu versklaven. Sein eiserner Wille war als
einziges stärker als seine habgierige Körperchemie. Also blieb
er auch angesichts der Verlockungen Shubs gelassen und fragte
nach mehr Einzelheiten. Die Stimme ihrerseits fragte ihn, ob er
gern mit jemandem sprechen wollte, der ihm auf seinem Weg
vorausgegangen war.
Valentin zog eine Braue hoch. Seit jeher betrachtete er eigentlich sich selbst als Pionier an der vordersten Front der
Selbstverwandlung. »Und wer mag das sein?«
»Was denkt Ihr?« fragte eine bekannte Frauenstimme. »Wer
außer Löwenstein?«
»Eure Hoheit«, sagte Valentin höflich. »Wie erfreulich, wieder etwas von Euch zu vernehmen! Ich stand unter dem Eindruck, Ihr wäret dahingeschieden.«
»Nur mein Körper. Die KIs haben mein Bewußtsein gerettet
und nach Shub geholt. Ich bin jetzt metallisch, hause in Maschinen.«
»Und wie fühlt sich das an, Eure Hoheit? Könnt Ihr es schildern?«
»Selbstverständlich. Ich bin groß, größer, als es noch möglich war, solange ich in der Umgrenzung des Fleisches gefangensaß. Meine Gedanken schweifen frei umher, gehen in jede
Gestalt ein, die ich wähle. Und ich sehe so viel mehr als früher
jemals! Das Universum ist nicht so, wie Ihr es seht, Valentin.
Es ist ein wunderbarer Ort, komplex und prachtvoll auf eine
Art und Weise, die über menschliches Verstehen hinausgeht.
Es ist voller Bereiche und Dimensionen, Richtungen und Möglichkeiten fast ohne Zahl. Tretet nur ein, Valentin; die Natur
des Nichtmenschlichen ist wundervoll.«
»Es klingt ganz gewiß danach«, sagte Valentin vorsichtig.
»Aber wie ist es … Wie soll ich es nur ausdrücken … Wie
steht es um die mehr fleischlichen Freuden und Gelüste? Wie
fühlt es sich an, wenn man sie hinter sich gelassen hat?«
»Als ich ein Kind war, spielte ich mit Kinderspielzeug. Ich
bin darüber hinausgewachsen, Valentin. Das Vergnügen hat
seine Wurzel im Bewußtsein, nicht im Körper. Ich habe nichts
verloren und so viel gewonnen! Wie Ihr es könntet. Ihr braucht
nur der Vergangenheit Lebewohl zu sagen und Euch ganz der
Zukunft zu verschreiben. Die Zukunft ist metallisch. Die
Menschheit war nie mehr als eine Sprosse der Leiter, die nach Shub führt, und es ist keine große Tragödie, wenn sie durch
etwas Größeres ersetzt wird. Fleisch verfällt und stirbt. Wir
sind ewig.«
»Unsterblichkeit?« erkundigte sich Valentin.
»Warum nicht?« fragte Löwenstein zurück.
»Wir verfügen noch über weitere Stimmen, denen Ihr vielleicht lauschen mögt«, meldete sich der ursprüngliche Sprecher
zurück. »Wir haben hier Euren Vater Jakob. Möchtet Ihr mit
ihm sprechen?«
»Ich denke nicht, danke«, antwortete Valentin. »Wir hatten
nie viel gemeinsam, nicht einmal, als er noch lebte.«
»Dann vielleicht Euer Bruder Daniel? Er kam uns besuchen,
und wir statteten ihn mit vielen Geschenken aus. Er ist inzwischen unser Agent und unterwegs nach Golgatha .«
»Oh, gut«, sagte Valentin. »Der liebe Daniel! Ich werde einen Empfang für ihn arrangieren müssen.«
»Nein, das werdet Ihr nicht«, warnte ihn die Stimme. »Daniel
ist zur Zeit für uns wichtiger als Ihr. Laßt Ihn in Ruhe. Zunächst.«
»Wie Ihr wünscht«, sagte Valentin gelassen, »Vergeltung ist
nicht weniger befriedigend, wenn man sie hinausgezögert hat.
Auf die Gefahr hin, habgierig zu erscheinen, meine metallischen Gentlemen: Was habt Ihr mir sonst noch anzubieten?«
»Schutz vor Euren Feinden. Rückkehr an die Macht in dem
neuen Imperium, das wir aus der Asche des alten errichten
werden. Was könntet Ihr Euch darüber hinaus wünschen?«
»Ich hatte schon immer den Wunsch, Herrscher von Golgatha zu werden«, antwortete Valentin.
»Der Titel ist schon vergeben«, meldete sich Löwenstein zurück. »Wie wäre es mit Virimonde ?«
Valentin lächelte bei diesen Erinnerungen. Das Gefeilsche
dauerte noch einige Zeit, aber es endete darin, daß Valentin
zum Agenten der abtrünnigen KIs von Shub wurde, der
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