Todtsteltzers Ehre
schmerzhaft auf dem rauhen Untergrund, und die
Glaskrüge hüpften auf ihrem Rücken, während kühler Wind
Evangeline über die Haut strich. Ringsherum blieben Menschen stehen und blickten ihr nach, aber niemandem war danach, sich einzumischen. Was ihr nur recht war. Sie hatte bereits eiskalt beschlossen, jeden niederzustrecken, der sich zwischen sie und die Freiheit stellte. Sie hatte zuviel durchgemacht, um sich jetzt noch aufhalten zu lassen. Vielleicht hatte
sie doch etwas von einer Shreck in sich. Sie sah jetzt den
Gravschlitten, der immer noch dort stand, wo sie ihn geparkt
hatte. Es war nicht mehr weit. Sie war inzwischen jenseits von
Schmerz oder Müdigkeit, von neuer Hoffnung beseelt.
Auf einmal stand der Schlitten direkt vor ihr, und sie kam
rutschend zum Stehen, kurz bevor sie seitlich gegen das Fahrzeug prallte. Sie warf die in die Decke gewickelten Köpfe auf
den Rücksitz, und erst in diesem Augenblick hörte sie die
Laufschritte hinter sich. Die Vernunft lehrte sie, daß diese
Schritte ihr schon seit einiger Zeit folgen mußten, aber sie war
zu sehr in die eigenen verzweifelten Gedanken vertieft gewesen, um sie zu hören. Sie wirbelte herum, das Messer in der
Hand. Drei gepanzerte Wachleute waren fast schon über ihr,
und weitere folgten ihnen mit etwas Abstand. Evangeline zeigte ein Totenkopfgrinsen, das sie von Finlay gelernt hatte, und
hielt sich bereit, die drei Vorderleute mit der Monofaserklinge
zu empfangen.
Sie hatte einen Vorteil. Die Leute standen unter dem Befehl,
sie nicht zu töten, während sie selbst keine derartige Hemmung
hatte. Dem ersten Wachmann schnitt sie mit einem beiläufigen
Zucken des Handgelenks den Kopf ab, und das Messer schnitt
mit gleicher Leichtigkeit durch Stahlpanzer und Fleisch und
Knochen. Der maskierte Kopf purzelte fast bedächtig zu Boden, als Evangeline sich schon dem nächsten Wachmann zuwandte und ihm das Messer in die Brust stieß. Er schrie unter
der Maske schrill auf. Während er zusammenbrach, wandte sie
sich dem dritten Angreifer zu. Blut rieselte ihr über das nackte
Fleisch und war ihr obendrein ins Gesicht gespritzt, aber kein
Tropfen davon war ihr eigenes. Es fühlte sich warm an in der
kühlen Luft, fast beruhigend – das Blut ihrer Feinde. Der dritte
Wachmann vergaß Gregors Befehl, sie lebend zurückzubringen, oder scherte sich einfach nicht mehr darum.
Er zog den Disruptor und zielte damit aus kürzester Distanz
auf ihre nackte Brust. Evangeline stieß mit dem Messer zu und
schnitt die Waffe entzwei. Der Wachmann drehte sich um,
wollte wegrennen, und sie machte auch ihn nieder, wobei die
Monofaserklinge mühelos in den Körper eindrang und wieder
daraus hervortrat. Die anderen Wachleute kamen schlitternd
zum Stehen, als Evangeline sich bückte und einen der Disruptoren aufhob, die die getöteten Krieger fallengelassen hatten.
Gregor hetzte seine Leute weiterhin auf und stieß dabei einen
Strom von Drohungen und Versprechungen und Flüchen aus,
aber die Lage hatte sich verändert, und die Wachleute erkannten es. Zwar hätte ihre schiere Zahl gereicht, um Evangeline
letztlich zu überwältigen, aber verdammt viele von ihnen wären dabei umgekommen, wie sie sehr wohl wußten. Und keine
Bonuszahlung oder Drohung war das wert. Also zögerten sie,
und während sie das noch taten, stieg Evangeline in den
Gravschlitten, startete und ließ sie alle zurück. Niemand jagte
ihr auch nur einen Schuß hinterher.
Sie lachte unsicher, wagte noch nicht, sich zu entspannen,
aber schließlich stieg doch die Hoffnung auf, daß sie das
Schlimmste überstanden hatte. Sie war nicht überzeugt gewesen, daß sie es schaffen würde. Tief im Herzen war sie sich
immer noch als hilfloses Opfer vorgekommen und hatte nicht
wirklich damit gerechnet, Gregor überwältigen zu können. Sie
war nur hingegangen, weil sie mußte, um ihre Freundin zu retten – und weil sie es satt gehabt hatte, sich zu fürchten.
Sie zitterte am ganzen Leib, als die Reaktion einsetzte. Sie
dachte an den Kampf mit den Wachleuten zurück und lächelte
ungläubig. Die Untergrundbewegung hatte Evangeline ausgebildet, wie das allen Agenten zuteil wurde, aber sie hatte noch
keine Gelegenheit gehabt, eine dieser Fähigkeiten im Ernstfall
anzuwenden. Wahrscheinlich hatte ihre Zeit mit Finlay sie
mehr beeinflußt, als sie gedacht hatte.
Finlay. Sie wollte jetzt zu ihm zurückkehren. Wie stolz er auf
sie sein würde! Er würde sie in die Arme nehmen und
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