Todtsteltzers Ehre
verbannt hatte,
zusammen mit all ihren Dienern, damit sie unter vier Augen
mit Robert sprechen konnte.
Er hoffte nur, daß sie ihn nicht ansprang. In solchen Dingen
war er immer ziemlich schüchtern gewesen.
Eine Menge Wachleute waren zunächst auch präsent gewesen, aber Konstanze hatte sie zum Zeichen des Vertrauens
weggeschickt. Jetzt waren sie beide unter sich. Robert überlegte, daß er sich selbst ein paar Wachleute zulegen sollte, und sei
es nur zur Schau. Konstanze, die ihm auf einem Stuhl gegenüber saß, beugte sich zu ihm vor, und er zuckte unwillkürlich
zusammen. Tee schwappte auf die Untertasse.
»Ihr braucht die Schokolade nicht zu essen, wenn Ihr sie
nicht mögt«, sagte Konstanze lächelnd. »Oder auch den Tee
trinken. Eines der ersten Dinge, die man im Hinblick auf gesellschaftliche Anlässe meistern muß, ist die Kunst, etwas
charmant abzulehnen. Ansonsten lädt man Euch mit Eßwaren
voll, bis Euch die Arme schmerzen. Die Leute zeigen nun mal
so gern, was sie für tolle Chefköche haben.«
Robert lächelte dankbar, sah sich nach einem Tisch oder einer Freifläche um, stellte fest, daß dergleichen nicht vorhanden
war, und stellte Tasse und Teller schließlich neben sich auf den
Boden. Er richtete sich auf und versuchte verstohlen, Jackett
und Hose zu lockern, hatte aber nicht viel Erfolg dabei. Er bedachte Konstanze mit einem etwas verzweifelten Lächeln.
»Mir gefällt es hier. Es ist sehr … bequem.«
»Eine der Freuden, wenn man allein lebt, besteht darin, keine
Kompromisse bei den eigenen Vorstellungen von Komfort eingehen zu müssen«, erklärte ihm Konstanze. »Jakob hätte einen
Anfall bekommen, hätte ich zu seinen Lebzeiten sein Wohnzimmer in diesem Stil gestaltet. Nach seinem Tod habe ich so
schnell, wie es der Anstand erlaubte, dafür gesorgt, die meisten
seiner Sachen loszuwerden. Andernfalls hätten sie mich weiterhin ständig an ihn erinnert. Also legte ich mir neue Sachen
zu, um mich daran zu erinnern, daß ich fortan ohne ihn ein
neues Leben führen mußte. Ich habe nur ein paar Portraits von
ihm behalten. Ich bewahre sie im Schlafzimmer neben dem
Bett auf, damit ich sein Gesicht abends als letztes sehe, ehe ich
einschlafe. So kann ich manchmal von ihm träumen. Seht Ihr,
er war der einzige Mann, den ich je geliebt habe, und wir hatten nur so wenig Zeit zusammen. Sicher versteht Ihr das. Ihr
habt selbst jemanden verloren, nicht wahr?«
»Ja«, sagte Robert, »ich verstehe das.«
»Sein Gespenst hat mich einmal besucht«, erzählte Konstanze mit ruhiger und gleichmäßiger Stimme. »Bei Hofe. Aber es
war nur ein Geistkrieger. Nur seine Leiche. Nicht mein Jakob.
Der arme Daniel hat sich auf die Suche nach dem Geistkrieger
gemacht, überzeugt davon, daß sein Vater noch irgendwo darinsteckt. Daniel strebte immer verzweifelt nach der Anerkennung durch seinen Vater. Jakob hat seine Kinder wirklich geliebt, auf seine eigene Art, sogar Valentin, aber sie waren für
ihn allesamt eine Enttäuschung. Ich wollte ihm neue Kinder
schenken, aber wir fanden keine Gelegenheit mehr dazu, bis er
mir genommen wurde. Nur ein weiterer Verlust, der zu betrauern bleibt.«
»Er muß Euch sehr geliebt haben«, sagte Robert, bemüht um
die richtigen Worte.
»Das hoffe ich, aber ich war mir nie ganz sicher. Ich war als
Gattin eine Trophäe, wißt Ihr, jung und schön, jemand, den
man bei Hofe und auf Parties vorzeigt. Es war eine arrangierte
Hochzeit, obwohl ich ihn allmählich lieben gelernt habe. Er
war immer so freundlich zu mir, aber … Es fiel ihm nie leicht,
über seine Gefühle zu reden, nicht einmal mit mir. Also wußte
ich es nie so recht.«
»Es muß Euch sehr schwer fallen, als Frau allein dazustehen
und einen so großen Clan zu leiten«, sagte Robert, nur um
überhaupt etwas zu äußern.
»Ihr habt ja keine Ahnung«, antwortete Konstanze trocken.
»Die Position ist mir nur zugefallen, weil niemand sonst verfügbar war. Und ich behalte sie, indem ich meine zahlreichen
Feinde gegeneinander ausspiele und morgens, mittags und
abends Intrigen spinne. Aus diesem Grunde werden jedes
Wort, das ich von mir gebe, und auch die kleinste meiner
Handlungen endlos von allen Beteiligten analysiert, um mal zu
sehen, ob darin nicht Brocken an wertvollen Informationen
enthalten sind. Manchmal sage ich aufs Geratewohl irgendwas,
nur damit die Leute etwas zu knabbern haben. Ständig umgeben mich heutzutage Menschen. Private Augenblicke wie der
jetzige sind selten
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