Todtsteltzers Ehre
Sicherungsnetz rechts neben Ohnesorg hockte. »Ich meine, normalerweise steckt man Leute, die
aus freien Stücken den Wunsch äußern, Loki zu besuchen,
gleich in eine Gummizelle und setzt sie unter eine Industriedosis Beruhigungsmittel, ehe sie sich selbst weh tun. Loki ist der
einzige Planet des Imperiums mit noch schlechterem Wetter als Nebelwelt. Man hat Kolonisten nur angelockt, indem man ihnen enorme Landzuteilungen versprach und mehr Geld, als sie
in einem ganzen Leben ausgeben könnten. Falls das Imperium
einen Einlauf gebrauchen könnte, würde man diesen Planeten
als Eingangsstelle …«
»Wir mußten kommen«, unterbrach sie Ohnesorg. »Wir werden gebraucht.«
»Ich war auf Golgatha vollkommen glücklich«, entgegnete
Ruby. »Ich habe dort in einer zivilisierten Stadt gelebt, wo das
Wetter tut, was man ihm sagt, und ging möglichen Verbindungen zu Shub nach. Aber nein, der verdammte Jakob Ohnesorg
muß ja wieder als Held losziehen und mich mit in die Sache
hineinziehen!« »Du weißt, daß wir kommen mußten«, sagte
Ohnesorg. Er wandte sich wieder an den Sergeanten. »Seid Ihr
sicher, daß sich Jung Jakob Ohnesorg irgendwo dort unten herumtreibt?«
»O ja! Wir haben Holovidaufnahmen, falls Ihr sie sehen
möchtet.« Müller verzog den Mund, als hätte er gerade etwas
Saures gekostet. »Der Kameramann wurde geröstet, ehe er viel
senden konnte, aber wir sind ziemlich sicher, die Furie richtig
identifiziert zu haben. Ich dachte, Ihr hättet erzählt, er wäre auf Golgatha umgekommen.«
»Das ist er«, bekräftigte Ohnesorg. »Zeigt uns die Aufnahmen.«
Der Sergeant stellte die Verbindung zum Lektron der Pinasse
durch, und das Holovid wurde über Ohnesorgs und Rubys
Komm-Implantate abgespielt und direkt durch ihre Sehnerven
geleitet. Die Kabine der Pinasse verschwand, und ruckhafte
Bilder von einem Dorf in Flammen traten an ihre Stelle. Windböen fachten die Brände immer wieder an, und schwarzer
Qualm wogte durch die Straßen, stark durchsetzt mit Rußflokken und Asche. Überall lagen Leichen – Männer, Frauen und
Kinder in großen Blutlachen. Nicht alle Leichen waren noch
vollständig.
Geistkrieger marschierten steif durch das Inferno, ungerührt
durch die gewaltige Hitze – wandelnde Tote, deren graues
Fleisch auf den Knochen verfaulte. An ihrer Spitze schritt singend und lachend, ein bluttriefendes Schwert in einer Hand,
der junge Jakob Ohnesorg. Groß, muskulös, gutaussehend,
jeder Zoll ein legendärer Held. In der anderen Hand hielt er
einen abgetrennten Menschenkopf an den blutverklebten Haaren. Er blieb stehen, als er die Kamera spürte, drehte sich um
und stellte sich in Pose, wobei sich seine Umrisse vor den blutroten Flammen eines brennenden Hauses abzeichneten. Er lächelte breit und zeigte perfekte weiße Zähne. Von seiner silbernen Rüstung rann das Blut, aber nichts davon war sein eigenes. Er hielt den abgetrennten Kopf mit dem Gesicht zur Kamera, lachte und deutete mit dem blutigen Schwert darauf.
Zwei Geistkrieger näherten sich der Kamera. Die Aufnahme
brach plötzlich ab, und die Kabine der Pinasse wurde wieder
sichtbar. Ohnesorg und Ruby sahen sich gegenseitig an.
»Nun?« fragte Müller. »Ist er das?«
»O ja«, sagte Ruby. »Das ist Jung Jakob Ohnesorg, mit dem
beschäftigt, was er am besten kann.«
»Und wie lautet die wahre Geschichte?« wollte der Sergeant
wissen. »Offiziell ist der Mann als Held gestorben, als er die
Straßenkämpfe in Parade der Endlosen anführte. Inoffiziell
kursieren alle möglichen Gerüchte. Manche behaupten, er wäre
von den eigenen Leuten getötet worden, weil er sie verraten
hätte. Andere sagen, Ihr und Eure Freunde hättet ihn umgebracht, weil er nicht mit dem Abkommen einverstanden gewesen wäre, das Ihr mit dem Schwarzen Block ausgehandelt habt.
Wieder andere sagen, er wäre nie umgekommen. Er wäre einfach fortgegangen, erfüllt von Abscheu über all die Gemetzel,
um erst zurückzukehren, wenn das Imperium in größter Not
wäre. Vielen Leuten hat besonders diese Version gefallen. Wie
es heißt, hätten sich Leute um ihn geschart wie um einen Erlöser, als er auf Loki erschien. Bis von den wenigen Überlebenden die Nachricht kam, daß er eine Armee von Geistkriegern
anführte und nicht daran interessiert war, Gefangene zu machen. Also, erklärt es mir. Falls ich diesem Mann auf dem Boden gegenübertreten muß, habe ich ein Recht, alles zu erfahren.«
»Natürlich habt Ihr das«, sagte Ohnesorg. »Er ist
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