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Todtsteltzers Ehre

Todtsteltzers Ehre

Titel: Todtsteltzers Ehre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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übrigen
Menschheit ab. Owen hatte vage Vorstellungen von Lachrymae
Christi gehabt, aber ihm war nie in den Sinn gekommen, etwas
dagegen zu unternehmen. Lepra war etwas, was anderen Leuten widerfuhr. Aber jetzt, wo man ihn mit der Nase förmlich
draufgestoßen hatte, schwor er sich, etwas zu tun. Irgendwas.
Mal vorausgesetzt, er und die Kranken überlebten.
Er kam um eine Ecke und sah Mond allein dasitzen. Die
Schultern des Hadenmanns zuckten, während ihm Tränen übers
Gesicht liefen. Niemand war in seiner Nähe, und keine unmittelbare Ursache für seinen Kummer war zu erkennen. Im Gegenteil taten die wenigen Leprakranken, die überhaupt in der
Gegend waren, ihr Bestes, ihn zu ignorieren. Owen lief zu dem
Aufgerüsteten hinüber und stand dann verlegen da, wußte
nicht, was er tun sollte.
»Mond? Tobias? Was ist los? Hat jemand etwas gesagt oder
getan? Verdammt, wenn jemand Euch attackiert hat, puste ich
ihm die Lichter aus!«
Der Hadenmann hörte abrupt auf zu weinen und blickte auf.
»O hallo, Owen«, sagte er gelassen. »Es ist alles in Ordnung.
Niemand hat mir etwas getan. Ich habe nur die Emotion ausprobiert, wollte wissen, wie sich das anfühlt. Bitte setzt Euch
und redet mit mir.«
Owen runzelte die Stirn, zuckte die Achseln und setzte sich
neben seinen Freund. Mond wischte sich ganz unbefangen das
Gesicht mit einem Tuch ab. Owen musterte ihn. »Also, Ihr seid
wirklich in Ordnung?«
»Ich weiß nicht. Ich gestehe, daß ich in jüngster Zeit sehr verwirrt bin. Das ist mein zweites Leben, Owen, und vieles ist mir
immer noch fremd. Immer wieder tauchen Erinnerungen an das
erste Leben auf, aber ganz verworren, als betrachtete ich eine
andere Person auf einem matten Holoschirm. Ich kann mich
erinnern, wie ich das eine oder andere getan habe, aber nicht
warum oder wie ich mich dabei fühlte. Den größten Teil des
ersten Lebens habe ich unter Menschen verbracht, und ich habe
dabei menschliche Wesenszüge entwickelt, die mir jetzt jedoch
überwiegend abhanden gekommen sind. Ich habe Gefühle, aber
… sie sind seltsam und verwirrend, weil ich keinen Bezugsrahmen für sie habe. Ich bin wie ein Blinder, der zum ersten Mal
Farben sieht. Also lache ich und weine ich, koste den unvertrauten Geschmack dieser Empfindungen, versuche zu erkennen,
was sie unterscheidet und was sie mit der Welt zu tun haben, in
der ich lebe. Ich sehe die Leprakranken hier an, wie sie so tapfer
leben und kämpfen und sterben, und ich denke, da sind Tränen
die angemessene Reaktion, aber es fällt mir schwer, dessen gewiß zu sein. Es ist sehr schwierig, menschlich zu sein, Owen.
Ich weiß nicht, wie Ihr das so mühelos schafft.«
»Ihr werdet das schon herausfinden«, meinte Owen. »Das erfordert nur Übung. Auf diese Weise lernen alle. Und ja, Tränen
sind hier angemessen. Falls ich noch welche übrig hätte, würde
ich sie vergießen. Ich habe jedoch so viele Menschen sterben
gesehen und an so vielen Schlachten teilgenommen, in denen
es um die letzte Chance ging, daß es mir schwerfällt, noch solchen Gefühlen nachzuhängen. Ich muß stark und unerschütterlich sein und anderen auf diese Weise Halt geben. Nur zu gern
würde ich den Luxus genießen, wieder schwach zu sein, Mond.
Jemand anderen zu haben, der stark ist und der den Helden
spielt, damit ich mich auf ihn stützen kann. Es ist harte Arbeit,
eine lebende Legende zu sein.«
»Ja«, sagte Mond, »ich erinnere mich an Euch als Held. Ihr
habt Euer Leben riskiert, um die Gruft der Hadenmänner zu
öffnen, als ich versagt hatte – nachdem ich Euch im Stich gelassen hatte, es Euch und den anderen überlassen hatte, gegen
das Imperium zu kämpfen, während ich auf eigene Faust loszog, überzeugt davon, es wäre meine Bestimmung, mein Volk
wiederzuerwecken. Ich war im Irrtum. Ich lasse Euch nicht
noch mal im Stich, Owen.«
»Natürlich nicht«, sagte Owen. »Ich habe nie etwas anderes
erwartet.«
»Noch mehr Dinge sind mir neu, abgesehen von den Gefühlen«, fuhr Mond fort. »Ich habe kürzlich versucht, eine Diagnose meiner Techimplantate durchzuführen, der inneren Mechanismen, die mich zu einem Aufgerüsteten machten. Zu
meiner Verblüffung stellte ich fest, daß die meisten fehlten.
Der Körper hat sie absorbiert. Dabei bin ich weiter so stark und
schnell wie zuvor, meine Sinne so klar, meine Gedanken so
präzise. Es hat den Anschein, als brauchte ich keine Technik
mehr, um übermenschlich zu sein.«
»Es liegt am Labyrinth «, nickte Owen. »Als Ihr mit uns anderen

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