Todtsteltzers Ehre
durchsuchen sollen.
Hazel saugte tief Luft in die überlasteten Lungen und hielt
das Schwert ruhig vor sich ausgestreckt. Der Romanow war ein
großer Kerl, aber sie hatte schon größeren gegenübergestanden,
und jetzt war sie wieder im Vorteil. Der Romanow schien das
zu spüren und öffnete die Hand, damit das Messer zu Boden
fiel. Hazel entspannte sich ein wenig. Sie hätte wissen müssen,
daß der Aristo nicht den Mumm für irgend etwas hatte, das von
fern an einen fairen Kampf erinnerte.
Sie gab ihm mit einem Wink des Schwerts zu verstehen, daß
er sich wieder setzen sollte, und wußte sofort, daß sie einen
Fehler gemacht hatte – denn ein Mann, der eine versteckte
Waffe bei sich getragen hatte, konnte gut noch eine weitere
haben. In dem Augenblick, als sich Hazels Schwert von ihm
fortbewegte, beugte der Romanow den Arm, und ein Messer
fiel ihm aus einer getarnten Scheide in die Hand. Sofort zuckte
es auf Hazels ungeschützten Unterleib zu, während ihr Schwert
gerade meilenweit aus dem Gefecht war. Es war ein plötzlicher, simpler, überraschend schneller Angriff, und jedem anderen Gegner hätte er sicherlich das Leben gekostet. Hazel war
aber kein beliebiger Gegner, schon lange nicht mehr. Mit
übermenschlicher Kraft und Schnelligkeit riß sie das Schwert
zurück in die Bahn des Messers, parierte es und schlug es zur
Seite. Der Romanow, vom Schwung des eigenen Angriffs mitgerissen, spießte sich selbst auf dem bereitgehaltenen Schwert
auf.
Mit verzerrtem Gesicht sank der Romanow zu Boden, ließ
das Messer fallen und packte die Schwertklinge, die ihn durchbohrte, mit beiden Händen, als könnte er den tödlichen Stahl
irgendwie aus sich herausziehen. Und in diesem Augenblick,
als er sich mit der verzweifelten Kraft des Sterbenden an Hazels Schwert klammerte, bemerkte Hazel, daß sie den Kartakis
aus den Augen verloren hatte. Sie sah sich wütend um, versuchte das Schwert loszureißen, schaffte es aber nicht. Und da
erblickte sie den Kartakis auf den Beinen, ebenfalls ein bislang
verstecktes Messer in der Hand. Sie traf Anstalten, mit der
Schußwaffe auf ihn zu zielen, aber die Hand des Kartakis zuckte vor und schleuderte das Messer mit tödlicher Genauigkeit.
Hazel wußte, daß sie nicht mehr ausweichen konnte. Sie versuchte es trotzdem, und die Zeit kam fast zum Stillstand. Das
Messer kroch zentimeterweise durch die Luft und nahm direkt
Kurs auf ihr linkes Auge. Und Hazel wußte, daß sie sterben
würde, allein und weit von ihren Freunden und jeder Hilfe ent
fernt.
O Owen, ich wünschte …
Und da war er, tauchte aus der Luft heraus auf und schlug
das Messer mit der Hand weg. Es flog zum Werfer zurück und
versenkte sich bis zum Griff im Hals des Kartakis, als gehörte
es dorthin. Der Aristokrat beugte sich langsam vor, als verneigte er sich vor Owen und Hazel, und fiel tot zu Boden. Der Romanow tat ebenfalls seinen letzten Atemzug, löste die Hände
von Hazels Schwert und kippte nach hinten. Hazel riß das
Schwert heraus und drehte sich um, nur ein klein wenig außer
Atem, um Owen für die Rettung im letzten Augenblick zu danken. Und erst in diesem Augenblick fiel ihr auf, wie anders er
aussah.
Er trug andere Kleidung, zerrissen und blutig, darüber einen
großen pelzbesetzten Umhang. Das Gesicht wirkte müde und
ausgezehrt, und er atmete schwer und tief, als hätte er einen
langen Lauf hinter sich. Er sah aus, als wäre er durch die Hölle
marschiert und hätte sich jeden Schritt freigekämpft, aber in
seinem stetigen Blick entdeckte Hazel sowohl Entschlossenheit
als auch eine verzweifelte, tief im Mark sitzende Traurigkeit.
Er zeigte ihr ein seltsames, sanftes Lächeln, und streckte eine
Hand aus, als wollte er ihre ergreifen. Hazel steckte die Pistole
ins Halfter und wollte die Geste erwidern, und in diesem Augenblick bemerkte sie, daß Owen ihr eine Linke aus Fleisch
und Blut entgegenhielt, nicht die goldene Hadenmännerhand,
die sie schon vor langer Zeit ersetzt hatte. Hazel zögerte, stoppte ihre Hand unmittelbar vor seiner, und Owen lächelte traurig,
als hätte er gewußt, daß sie seine Hand ausschlagen würde, sich
aber trotzdem mehr erhofft. Er öffnete den Mund, um etwas zu
sagen, und Hazel beugte sich verzweifelt vor, wußte irgendwie,
daß es lebenswichtig war, ihn zu verstehen – aber da war er
schon wieder dorthin verschwunden, wo immer er hergekommen war, zu irgendeiner verzweifelten Flucht, die er unterbrochen hatte, um sie zu retten, als niemand sonst es konnte.
Hazel sah sich um, aber
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