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Todtstelzers Krieg

Todtstelzers Krieg

Titel: Todtstelzers Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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daß Ihr warm angezogen seid,
wenn die Sonne untergegangen ist. Die Nächte hier können
sehr kalt werden, wenn man nur ein Mensch ist.«
»Spürst du denn keine Kälte?« fragte Evangeline und nahm
einen dampfenden Becher vom Tablett.
»Ich? O nein«, antwortete Halloweenie. Er zwinkerte ihr mit
seiner leeren Augenhöhle zu: ein beunruhigender Anblick. »Ich
bestehe schließlich nur aus Knochen. Ich klappere zwar hin
und wieder damit, aber nur aus Spaß. Bleibt ruhig hier und
beobachtet den Sonnenuntergang. Er ist wirklich sehr malerisch.«
Er wartete, bis jeder einen Becher in der Hand hatte, dann
wuselte er geschäftig wieder davon und summte dabei ein
Seemannslied vor sich hin. Die Menschen nippten an ihrer heißen Schokolade, befanden sie für gut und lehnten sich an die
Reling, um zu beobachten, wie die Sonne langsam hinter dem
Horizont versank. Das lächelnde Sonnengesicht hatte sich verändert und sah jetzt ausgesprochen schläfrig aus. Irgendwo
sangen Vögel, ein ausgedehnter Chor von Stimmen, der Frieden und Ruhe und das Ende des Tages verkündete.
»Das ist nur eine Aufnahme«, sagte Reineke Bär. Die Menschen wirbelten erschrocken herum. Keiner hatte die Annäherung des Spielzeugteddys bemerkt. Er lehnte neben den Menschen an der Reling und blickte in die Nacht hinaus. »Wir haben jedenfalls nach den Vögeln gesucht und nie welche gefunden. Vielleicht ist es auch nur ein weiteres der vielen Geheimnisse dieses Planeten. Es gibt noch so vieles auf dieser Welt,
die ihr Menschen geschaffen habt, das wir nicht verstehen.«
Er brach ab, als weiter unten am Fluß helle Lichter vor dem
Nachthimmel sichtbar wurden, gefolgt vom Geräusch entfernten Donners.
»Feuerwerk!« sagte Evangeline.
»Nein, nicht mehr«, entgegnete Reineke Bär. Er klang mit
einemmal müde, und die Menschen drehten sich um und schauten ihn überrascht an. Er starrte mit traurigen Augen in die
Nacht hinaus. »Früher einmal wäre es sicher ein Feuerwerk
gewesen«, sagte er nach einer Weile. »Eine Feier der Spielsachen, um das Ende des Tages anzuzeigen. Heute sind es Bomben. Explosionen. Granaten. Der Krieg tobt noch immer, weiter
unten am Fluß. Spielzeug kämpft gegen Spielzeug, ohne jeden
vernünftigen Grund, in einem Krieg, der nicht enden wird, bevor nicht eine Seite die andere völlig ausgelöscht hat. Oder bis
der Rote Mann und seine Armee aus dem Großen Wald kommen und allem ein Ende bereiten.«
»Ihr habt Angst vor ihm, nicht wahr?« erkundigte sich Tobias.
»Selbstverständlich«, antwortete Reineke Bär. »Er ist eine unbekannte Größe. Der Krieg mag schrecklich sein, aber wenigstens ist er ein Übel, das wir verstehen. Wer weiß schon, welche
wahnsinnigen Pläne im Kopf des Roten Mannes Gestalt annehmen? Wir sind schließlich trotz aller Intelligenz immer noch
Spielzeuge, und unser Verstand ist durch unser kurzes Leben
und unsere geringe Erfahrung limitiert. Allein die Vorstellung,
in welche Dunkelheit uns der Wahnsinn des Roten Mannes stürzen könnte, hat gewaltig an unseren Nerven gezerrt.«
»Aber er bisher noch nichts unternommen, oder?« erkundigte
sich Finlay .
»Das wissen wir nicht«, antwortete Reineke Bär. »Niemand
weiß, was aus den Hunderten von Spielzeugen geworden ist,
die im Herzen des Dunklen Waldes verschwunden sind. Nichts
als Gerüchte – Flüstern, das den Fluß herunter kommt, überbracht von Spielsachen, die von Granaten durchsiebt waren
und im Sterben lagen. Sie sagen, Harker hätte etwas entdeckt,
irgendwo tief im Wald, irgend etwas, das ihn zum Roten Mann
hat werden lassen. Irgend etwas, das die gesamte Welt verändern wird, bis niemand sie mehr wiedererkennt . Würde Euch
das keine Angst machen?«
»Wie lange … wie lange dauert dieses Schauspiel noch?«
wechselte Evangeline taktvoll das Thema.
Reineke Bär blickte zu den hellen Lichtern am nächtlichen
Himmel . »Sie hören niemals auf. Der Krieg hört niemals auf.
Das ist der Imperativ von Shub, versteht Ihr? Der Zwang zum
Kämpfen ist in der Programmierung verankert, die uns unsere
Intelligenz verleiht. Der Zwang zur Zerstörung, zum Töten, zur
Vernichtung der Menschheit in Shubs Namen. Die wenigen
von uns, die in der Spielzeugstadt leben, haben diese Konditionierung überwunden, aber den meisten ist das nicht gelungen.
Nicht einmal allen, die sich selbst als gute Spielsachen betrachten. Wir haben es geschafft, unseren Zwang zur Zerstörung auf
die bösen Spielsachen zu richten; aber das war auch schon

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