Todtstelzers Krieg
beschützend dicht
neben dem Sessel.
»Wir haben einen Besucher, Donald«, sagte sie.
»Das sehe ich selbst, Frau. Ich bin schließlich weder blind
noch senil. Ich nehme an, es handelt sich um eine wichtige Persönlichkeit, sonst hättest du ihn ja wohl abblitzen lassen,
oder?« Er blickte Ohnesorg nachdenklich an und runzelte die
Stirn . »Ich kenne Euch von irgendwoher. Ich vergesse niemals
ein Gesicht.« Dann hellte sich sein Antlitz auf, und er sprang
aus seinem Sessel. »Gütiger Gott, das ist doch völlig unmöglich! Jakob? Bist du das, Jakob Ohnesorg? Ich will verdammt
sein, er ist es!« Der Alte grinste breit und ergriff Jung Jakobs
ausgestreckte Hand. Sie verschwand in den faltigen Händen
des Alten. »Jakob Ohnesorg, wie er leibt und lebt! Was zur
Hölle machst du hier?«
»Alte Freunde besuchen«, erwiderte Ohnesorg und lächelte.
»Es ist lange her, Donald.«
»Das kannst du laut sagen, verdammt lange. Setz dich, Jakob! Setz dich, und laß dich ansehen.«
Ohnesorg zog den Ohrensessel auf der anderen Seite des
Kamins zu sich heran und nahm darin Platz. Höflich gab er
vor, nicht zu bemerken, wie Donald mit ein wenig Hilfe von
Madeleine Skye vorsichtig wieder in seinen Sessel sank. Royal
musterte Ohnesorg mit wachen, abwägenden Augen. Nichts an
ihm wirkte jetzt noch geistesabwesend, als hätte ihm die Erinnerung an seine eigene Vergangenheit neue Kraft verliehen.
Madeleine trat zurück, um den beiden ein wenig Privatsphäre
zu gewähren. Sie blieb an der Tür stehen und lehnte sich lässig
gegen den Rahmen. Es war Ohnesorg nicht entgangen, daß ihre
Hand noch immer in der Nähe der Waffe schwebte. Er lächelte
Donald herzlich an.
»Ein schönes Zuhause hast du hier«, sagte er. »Gemütlich.
Die Uhr gefällt mir.«
»Tatsächlich?«, erkundigte sich Donald. »Ich kann das verdammte Ding nicht ausstehen. Es war das Lieblingsstück meiner verstorbenen Frau, und ich kann mich einfach nicht dazu
durchringen, es wegzuwerfen. Du siehst gut aus, Jakob. Es ist
bestimmt zwanzig Jahre her, seit wir uns zum letzten Mal gesehen haben. Es war hier in diesem Raum, in den gleichen verdammten Sesseln. Du warst damals ein Unruhestifter, wie er
im Buche steht. So jung und so lebendig und voller Hoffnung
und Wut, daß ich dir nicht widerstehen konnte. Ich gab dir alles
Gold, das ich besaß, und die Namen von jedem, von dem ich
glaubte, er würde dir zuhören. Ich wäre selbst mitgekommen,
aber ich war schon damals ein wenig zu alt und gebrechlich für
derartige Abenteuer. Du warst ein begnadeter Redner, Jakob,
und ich konnte noch nie einem überzeugenden Spitzbuben widerstehen.«
»Du warst einer der ersten, die wirklich an mich geglaubt haben«, sagte Ohnesorg. »Ich werde das nie vergessen. Aber es
war gut, daß du nicht mit mir nach Lyonesse gegangen bist.
Die Dinge liefen von Anfang an gründlich schief. Ich war jung
und unerfahren. Ich hatte noch viel zu lernen. Wir feierten ein
paar kleine Siege, doch in der entscheidenden Schlacht wurden
wir zurückgeschlagen und überrollt. Ich rannte um mein Leben,
während ringsherum gute Männer und Frauen starben, um mir
Zeit zu verschaffen. Trotzdem haben wir der Eisernen Hexe
das Fürchten gelehrt, wenn auch nur für einen Augenblick.«
»Ich habe von Lyonesse gehört«, mischte sich Madeleine
vom Eingang her ein. »Eure Armee wurde aufgerieben. Jeder
zehnte Einwohner wurde wegen Unterstützung von Hochverrat
gehängt, und die Überlebenden mußten für die nächsten zehn
Jahre doppelte Steuern entrichten. Man könnte sagen, daß Lyonesse vor Eurer Rebellion besser dran war.«
»Achte nicht auf das, was Madeleine sagt«, entschuldigte
sich Donald. »Sie glaubt, daß Optimismus und Tugend Luxus
sind. Madeleine ist erst glücklich, wenn sie die dunkle Seite der
Medaille sehen kann. Sie hat mich überredet, meinen Ruhestand aufzugeben und mit ihr eine Detektei zu eröffnen. Ich
steuere meinen Verstand bei, und Madeleine kümmert sich um
die bösen Buben. Ich muß sagen, ich fühle mich seither so lebendig wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Ich bin kein Typ
für den Ruhestand. Madeleine besteht noch immer darauf, meinen Leibwächter zu spielen, obwohl ich immer noch mit einem
Schwert umgehen kann.«
»Ich bin sicher, sie versteht ihr Geschäft«, sagte Ohnesorg.
»Donald, ich muß mit dir reden.«
»Natürlich mußt du das, Jakob. Wir haben eine ganze Menge
zu erzählen. Es ist zweiundzwanzig Jahre her, daß wir uns das
letzte
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