Todtstelzers Krieg
Geborgenheit. Sie flüsterte seinen Namen, und als
er den Kopf drehte und ihren Blick erwiderte, küßte sie ihn.
Die Puppen sahen fasziniert zu. Poogie und Halloweenie
standen sogar auf, um nichts zu verpassen.
»Was machen die beiden da nur?« fragte Poogie mit leiser
Stimme.
»Ich weiß es nicht«, erwiderte Halloweenie. »Meinst du, daß
es weh tut?«
»Keine Ahnung; aber sieh mal, was für lustige Gesichter sie
machen.«
»Ich glaube, es ist Zeit für euch, ins Bett zu gehen«, sagte
Tobias.
Die Menschen grinsten alle, als Finlay und Evangeline sich
endlich voneinander lösten. Eine Weile saßen sie noch in
freundlichem Schweigen da und beobachteten, wie die Flammen des Lagerfeuers allmählich erstarben, während jeder die
Energie zusammenraffte, endlich aufzustehen und ins Bett zu
gehen. Und dann überraschte Giles die anderen, indem er erneut das Wort ergriff.
»Das Imperium war ein wundervoller Ort zum Leben, als ich
noch ein Kind war. Man spürte, daß man ungestört aufwachsen
und alles tun und erreichen konnte, was man wollte. Die Möglichkeiten schienen unbegrenzt. Man konnte seine Spur auf
tausendfache Weise hinterlassen und auf Tausenden von Welten zu Berühmtheit gelangen. Ich wurde der erste Oberste
Krieger des alten Imperiums, und ich wurde gefeiert und verehrt. Es war eine Zeit der Wunder und der Magie … und ich
war mitverantwortlich, daß alles endete. Ich war es, der den Dunkelzonen-Projektor aktivierte. Heute blicke ich auf das,
was aus dem Imperium geworden ist, und ich erkenne es kaum
wieder. Ich erkenne mich selbst kaum wieder. Ich bin nicht
mehr der Mann, der ich damals werden wollte . «
»Ich denke, das trifft mehr oder weniger auf jeden von uns
zu«, sagte Finlay. »Ich betrachte mein Leben und frage mich
ununterbrochen, wie zur Hölle ich von dort nach hier gekommen bin. Wir alle haben Träume, solange wir Kinder sind, und
die meisten werden aus uns herausgeprügelt, während wir aufwachsen und älter werden.«
»Und das ist vielleicht die traurigste von allen Veränderungen«, sagte Giles . »Heutzutage sind nicht einmal mehr Träume
erlaubt. Das ist ein fremdes Imperium , in das ich zurückgekehrt
bin. Klone, Esper , Hadenmänner, Wampyre. Spielsachen , die
denken und lieben. Man weiß kaum noch , was wirklich
menschlich ist und was nicht. Und wie leicht ist es, unter soviel
fremden Lebensformen für immer den Rest unserer Menschlichkeit zu verlieren.«
»Wir haben noch längst nicht alles verloren«, widersprach
Julian. »Höchstens unsere Beschränkungen. Ihr besitzt selbst
fremdartige Fähigkeiten, Lord Todtsteltzer. Macht Euch das
vielleicht weniger menschlich?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Giles. »Ich weiß es wirklich
nicht.«
Früh am nächsten Morgen fuhren sie weiter. Die Geräusche des
Krieges waren noch lauter geworden – und bedrohlicher . Das
grinsende Gesicht der Sonne schien sie offen zu verspotten.
Menschen und Spielzeuge gleichermaßen hielten mißtrauisch
die Augen offen. Die Bäume an den Ufern standen jetzt dichter; der Wald wurde dunkler. Alles mögliche konnte sich darin
verbergen. Jeder hatte das Gefühl, unablässig von unsichtbaren
Augen beobachtet zu werden. Abgesehen vom Donnergrollen
der Kämpfe war das beständige leise Tuckern der Missis Merry
Truspott das einzige Geräusch weit und breit. Das Schiff hatte
noch immer kein Wort gesprochen; doch im Laufe der Nacht
waren rechts und links vom Bug zwei riesige, wachsame Augen erschienen.
Julian blieb in seiner Kabine. Seine Schmerzen hatten sich
während der Nacht verschlimmert, und der Autodoc mit seinen
begrenzten Fähigkeiten konnte ihm nicht mehr helfen. Tobias
setzte die Sicherheitsschalrungen der flachen Scheibe außer
Kraft, um größere Dosen an schmerzstillenden Mitteln zu ermöglichen, doch es half nicht viel. Julian endete zusammengerollt auf dem Boden in einer Ecke seiner Kabine, weil das
Schwanken der Hängematte ihm Schmerzen bereitete. Manchmal, wenn der Schmerz unerträglich wurde und Julian die Tränen in die Augen stiegen, rief er nach Finlay, und der Feldglöck kam und setzte sich eine Weile zu dem jungen Esper.
Hinterher verließ er die Kabine immer mit Tränen der Wut und
Verzweiflung in den Augen und mit Fäusten, an denen die
Knöchel weiß hervortraten.
Er verspürte eine rasende Wut, weil er unfähig war, Julian zu
helfen. Er hatte den jungen Esper vor den Folterern des Imperiums gerettet; doch vor dem Schmerz konnte er ihn
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