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Todtstelzers Krieg

Todtstelzers Krieg

Titel: Todtstelzers Krieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon R. Green
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›Aber‹. Nicht wahr, John?«
Silver trat einen Schritt vor und streckte die Hand nach ihr
aus. Hazel ergriff sie, und Silver zuckte ob der rohen, unnachgiebigen Kraft in Hazels Fingern zusammen. Sie lächelte ihn
kalt an. »Die Schau ist noch nicht vorüber, John. Du hast die
Vergangenheit und die Gegenwart gesehen. Jetzt ist die Zukunft an der Reihe – ob du es nun willst oder nicht.«
Ihre Hand hielt die seine eisern umklammert. Silver schrie
laut auf, als der Raum ringsum im Chaos verschwand. Menschen rannten schreiend durch die Straßen Nebelhafens. Häuser
brannten. Imperiale Angriffsschlitten rasten durch den Himmel.
Energiestrahlen schossen durch heraufquellende Wolken aus
schwarzem Rauch. Überall lagen Tote. Kriegsmaschinen rissen
die Stadtmauern nieder. Brennende Barken trieben über einen
blutroten Autumnusfluß voller Leichen – und über allem tönte
ein nicht enden wollender Schrei, der nichts Menschliches
mehr an sich hatte. Hazel ließ Silvers Hand los, und plötzlich
befand er sich wieder in seinem Wohnzimmer mit dem gemütlichen Kaminfeuer. Silver wich einen Schritt zurück. Er zitterte
am ganzen Leib. Sein Kopf war noch immer voll vom Gestank
vergossenen Blutes und brennender Leichname, und der unheimliche Schrei klingelte noch immer in seinen Ohren. Hazel
stand da und beobachtete ihn, kalt und erbarmungslos wie ein
griechisches Orakel.
»Das ist die Zukunft, John«, sagte sie. »Deine Zukunft, und
meine. Und du hast geholfen, sie so zu gestalten. Irgend etwas
Böses ist auf dem Weg zur Nebelwelt. Etwas sehr, sehr Böses.
Und es dauert nicht mehr lange, bis es hier sein wird.«
Und dann plötzlich und ohne Vorwarnung war sie wieder nur
noch Hazel, und die Aura von Macht und Erhabenheit, die sie
umgeben hatte, war verschwunden. Sie sank in ihren Sessel am
Feuer, und sie wirkte klein und erschöpft und äußerst verletzlich. Silver trat langsam vor und setzte sich in den Sessel ihr
gegenüber. Ein Teil von ihm wäre nur allzu gerne schreiend
aus dem Zimmer gerannt, doch er konnte nicht. Ein Teil von
ihm war zu Tode erschrocken und der Panik nah, voller Angst
vor dem unheimlichen Wesen, zu dem seine alte Freundin Hazel geworden war, aber er durfte es nicht zeigen . Sie brauchte
ihn; sie brauchte ihren alten Freund und Kameraden, und trotz
der vielen Schlechtigkeiten , die er zu verantworten hatte – für
einige davon schämte er sich tatsächlich –, wollte John Silver
verdammt sein, wenn er Hazel jetzt im Stich lassen würde.
Lange Zeit saßen sie schweigend beieinander, und das einzige Geräusch im Zimmer war das Knistern und Knacken des
Kaminfeuers. Trotz der lodernden Flammen war es plötzlich
ungemütlich kalt.
»Was ist mit dir geschehen?« fragte Silver schließlich. »Früher hattest du diese Kräfte jedenfalls nicht.«
Hazel grinste erschöpft. »Was ist mit dir geschehen, John?
Was ist aus den Menschen geworden, die wir einst waren?«
»Früher, als wir noch jung waren, war alles viel einfacher«,
erwiderte Silver und starrte ins Feuer, weil es ihm leichter fiel,
als Hazel in die Augen zu schauen. »Du warst Söldner; ich war
Pirat, und wir waren beide davon überzeugt, zu Großem bestimmt zu sein. Wir waren ein großartiges Trickbetrügerduo.
Drei Jahre ohne Pause zogen wir den Engel-der-NachtSchwindel ab, erinnerst du dich? Obwohl ich persönlich den
Sternentor-Trick besser fand. Ich hatte viel Spaß beim Zeichnen der Karten. Sie waren so beeindruckend, richtige kleine
Kunstwerke. Hätte uns nicht unser Glück verlassen, würden
wir heute noch die gleiche Show abziehen.«
»Wir wurden zu gierig«, warf Hazel ein.
»Das auch.«
»Die Dinge waren wirklich einfacher. Das stimmt. Es hieß,
wir gegen sie, und wir haben nur diejenigen um ihr Geld erleichtert, die es sich leisten konnten. Eine einfache, unschuldige Zeit. Aber sie ging vorüber, und wir haben uns verändert.
Wir sind nicht mehr das, was wir einmal waren, John. Unsere
Freunde sind nicht mehr die gleichen, und unsere Interessen
ebenfalls nicht. Wir haben nichts mehr gemeinsam bis auf unsere Erinnerungen und das Blut. Und keins von beidem tröstet
mich auch nur halb soviel wie früher. Können wir uns gegenseitig überhaupt noch vertrauen, John?«
»Das müssen wir wohl«, entgegnete Silver. »Weil es niemand sonst tut.«
»Owen schon«, widersprach Hazel.
Silver riß sich vom Anblick des Kaminfeuers los und blickte
ihr in die Augen. »Du kennst ihn besser als ich«, sagte er. »Wie

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