Todtstelzers Krieg
wußte, war entweder zu
erfahren oder zu verängstigt, um den Mund aufzumachen. All
das hatte Tobias’ Neugier zum Kochen gebracht. Und jetzt
würde er endlich einen Blick darauf werfen können! Verstohlen gab er Flynn einen Wink, die Kamera einzuschalten. Das
Gerät war mit Flynns Komm-Implantat verbunden und konnte
aktiviert werden, ohne daß von außen etwas zu bemerken war –
ein Trick, der sich schon bei mehr als einer Gelegenheit als
nützlich erwiesen hatte.
Schließlich blieb Bartek vor einem massiven Schott stehen,
die sich allein durch einen Esper öffnen ließ. Tobias konnte
nichts anderes tun, als seine Ungeduld irgendwie im Zaum zu
halten, bis der Esper auf der anderen Seite des Schotts den Kapitän identifiziert hatte. Ein rascher, unauffälliger Seitenblick
auf Ffolkes’ nervöses, weißes Gesicht verriet Tobias, daß auch
der Sicherheitsoffizier noch keinen Blick auf das geworfen
hatte, was sich hinter der Tür verbarg. Andererseits schien er
jedoch genug zu wissen, um es erst gar nicht sehen zu wollen.
Dann schwang das Schott endlich auf, und Bartek führte sie
hinein. Tobias trat ihm beinahe in die Hacken.
Vor ihnen lag ein weites Rund, dessen Ränder gerippte
Stahlwände bildeten. Den größten Teil des Saals nahm ein riesiger gläserner Tank ein. Die Seiten waren gut dreißig Fuß
hoch und von beachtlicher Länge. Der Tank enthielt eine dicke,
blaßgelbe Flüssigkeit, die unablässig wie zäher Sirup hin und
her schwappte. Darin schwebte eine entsetzlich anzuschauende,
gewaltige graue Fleischmasse, durchsetzt von technischen Implantaten, die durch zahllose Kabel und Drähte mit dem Tank
und den Apparaten dahinter verbunden waren. Die Masse wogte formlos in ihrem Tank, eine krankhafte Ansammlung zusammengeklumpter organischer Materialien wie ein einziges
gewaltiges Krebsgeschwür in einem Meer aus Eiter. Der Gestank war fürchterlich. Tobias verzog das Gesicht und trat zögernd vor. Das Gebilde faszinierte ihn. Hinter sich hörte er
Ffolkes keuchen und würgen.
»Wunderbar, nicht wahr?« bemerkte Bartek. »Das wird das
Geheimnis unseres Erfolges sein. Das entscheidende Element,
das die Eroberung der Nebelwelt erst ermöglicht. Im Augenblick erzeugt es einen Schirm, der verhindert, daß die Esper der
Nebelwelt und ihre Technologie uns entdecken. Es besitzt noch
eine ganze Reihe anderer Fähigkeiten, die sich allerdings erst
offenbaren werden, wenn unsere Invasion begonnen hat.«
»Was zur Hölle ist das?« fragte Tobias. »Ist es lebendig?«
»O ja, das ist es«, antwortete Bartek. »Ihr seht vor Euch die
neueste Schöpfung Imperialer Biotechnologie. Imperiale Wissenschaftler exekutierten sämtliche Esper, die in Silo Neun
gefangen waren. Alle, die den Ausbruchsversuch überlebt haben. Dann hat man ihre Gehirne herausgenommen und miteinander verbunden, um das große Konstrukt zu formen, das Ihr
nun vor Euch seht. Tausende lebender Gehirne, verschmolzen
zu einem einzigen riesigen Esperlektron, einem gigantischen
ESP-Blocker und noch viel mehr. Er wird durch die Würmer
kontrolliert, welche die Gefangenen früher in ihren Gehirnen
hatten. Das Erbe des Wurmwächters. Sie sitzen in regelmäßigen Abständen im Hirngewebe und überwachen und steuern
die Denkprozesse. Die Würmer haben ein primitives Über-Ich
gebildet, das uns gestattet, direkt per Telepathie mit dem Konstrukt zu kommunizieren. Es nennt sich selbst Legion .«
»Die Esper-Bewußtseine …«, sagte Tobias langsam. »Leben
sie … leben sie noch? Sind sie sich dessen bewußt, was man
aus ihnen gemacht hat?«
Bartek zuckte die Schultern. »Das weiß niemand so genau.
Sie sind jetzt Bestandteil von etwas Größerem.«
Tobias trat langsam näher, bis er ganz dicht vor dem Glas des
Tanks stand. Hinter sich spürte er Flynn, der unauffällig alles
aufzeichnete. Das Entsetzen über die Verbrechen an Tausenden
wehrloser Menschen verschlug Tobias für einen Augenblick
die Sprache, doch er dachte bereits fieberhaft darüber nach, wie
man dieses Ding den Zuschauern am besten präsentieren könnte. Sie würden alles über diese … diese Abscheulichkeit wissen
wollen, und er war der einzige, der darüber berichten konnte.
Er bemühte sich, nicht mehr daran zu denken. Emotionen
durften einer guten Geschichte nicht im Weg stehen. Jeder Reporter wußte das.
»Warum heißt es Legion ?« fragte er schließlich.
Ich bin Legion, weil ich Viele bin.
Die psionische Stimme klingelte in Tobias’ Gehirn wie die
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