Todtstelzers Krieg
Scheißärschen
sitzen und den Scheiß-Grendelplaneten aus dem Orbit beobachten. Das hier ist wenigstens ehrliche Arbeit. Soldatenarbeit.«
Keiner von beiden verlor ein Wort über die Zeit in den Folterzellen auf Golgatha, über das Schreien und Schluchzen,
während die Imperialen Hirntechs gnadenlos nach Informationen über die durchbrochene Quarantäne gesucht hatten. Es tat
einfach gut, wieder frei zu sein und gegen einen richtigen
Feind kämpfen zu können. Den Schmerz ein wenig zurückzahlen … Schließlich war das die Methode des Imperiums, oder?
Sie stolperten über den Leichnam einer Frau, der anscheinend
übersehen worden war. Der Körper lehnte zusammengesunken
in einem Eingang. Die beiden Marineinfanteristen blieben vor
der Toten stehen, und ihr blutiger Kopf schien ein kleines
Stück nach vorn zu sinken, als nicke sie ihnen grüßend zu. Kast
stieß Morgan den Ellbogen in die Rippen.
»Ich glaube, sie mag dich.«
»Wahrscheinlich ist sie sogar noch warm. Werfen wir eine
Münze, wer als erster darf?«
»Sicher. Aber wir nehmen eine von meinen. Du betrügst im
mer.«
Sie warfen eine Münze, und Morgan gewann. Als er sich
bückte, um den Leichnam an den Schultern zu packen, fiel der
Kopf der Frau herunter und rollte durch den Schnee davon.
Augenblicklich jagten die beiden Marineinfanteristen hinterher.
Lachend improvisierten sie ein Fußballspiel. Der kopflose
Leichnam lag vergessen im Hauseingang. Morgan trat den
›Fußball‹ mit einem wohlgezielten Schuß durch eine leere Fen
sterhöhle und vollführte einen triumphierenden Luftsprung . »Tor! Tor! Siehst du, Kast? Ich hab’s dir gleich gesagt. Ich
kann’s immer noch. Ich hätte glatt eine Karriere als Profi einschlagen können!«
»Ja, ja, und aus mir hätte glatt ein Unteroffizier werden können, wenn meinen Mutter nicht meinen Vater geheiratet hätte.
Los jetzt, Bewegung. Die Zeit wird allmählich knapp.«
Der Rest der Stadt war enttäuschend langweilig. Am Leichenfeuer zog Kast eine Packung Marshmallows aus der Tasche . Die beiden setzten sich, um die Marshmallows am Feuer
zu rösten, während sie fröhlich Erinnerungen an vergangene
Feldzüge austauschten. Der Himmel wurde stetig dunkler, und
das Feuer tauchte die verlassene, zerstörte Stadt in einen purpurnen Höllenglanz. Kast und Morgan saßen an ihrem gewaltigen Lagerfeuer und sangen Lieder über Kameradschaft, Gewalt
und über verlorene Freunde, und schließlich marschierten sie
grölend aus der brennenden Stadt. Die letzte der Pinassen wartete, um sie nach Nebelhafen zu bringen.
In Nebelhafen, im Abraxus-Informationszentrum, wachten alle
Kinder gleichzeitig schreiend auf. Sie saßen kerzengerade auf
ihren Pritschen, hatten die Münder weit aufgerissen und Blut
und Tod in den Augen. Diejenigen, die an ihre Betten gebunden waren, kämpften verzweifelt gegen ihre Fesseln an. Chance lief aufgeschreckt zwischen ihnen umher und versuchte,
diejenigen zu trösten, die sich trösten lassen wollten; doch der
Todesschrei der vielen Esper in Hartsteinfels war zu stark und
zu übermächtig, und er brach sich durch die Kehlen der Kinder
seine Bahn.
Langsam, ganz langsam kehrte in einige von ihnen wieder so
etwas wie Vernunft zurück. Den restlichen verabreichte Chance starke Sedativa, sobald er sich wieder halbwegs konzentrieren konnte. Von den anderen erfuhr er bruchstückhaft, was sich
in Hartsteinfels zugetragen hatte.
Zum ersten Mal in vielen, vielen Jahren setzte er sich mit Direktor Stahl im Kontrollturm des Raumhafens in Verbindung.
Stahl nahm sich Zeit, bis er den Anruf beantwortete, und als
sein fettes Gesicht schließlich auf dem Schirm erschien, wirkte
er bei Chances Anblick alles andere als erfreut. »Macht es
kurz. Die Hälfte meiner diensttuenden Esper ist anscheinend
verrückt geworden, und der Rest ist in Katatonie verfallen . Wir
haben ein heilloses Durcheinander. Was wollt Ihr, Chance?«
»Eine Imperiale Streitmacht hat vor wenigen Minuten Hartsteinfels dem Erdboden gleichgemacht«, kam Chance geradewegs zur Sache. »Es war eine große Armee, und sie ist in diesem Augenblick auf dem Weg hierher.«
Stahl runzelte die Stirn. »Seid Ihr sicher? Wir hatten keine
Verbindung mit Hartsteinfels, und auf unseren Sensoren ist
nichts zu sehen.«
»Die Stadt existiert nicht mehr«, erwiderte Chance. »Jeder
Mann, jede Frau und jedes Kind – alle tot. Das Imperium ist auf
der Nebelwelt gelandet, Stahl! Ihr müßt etwas unternehmen!«
»Ich melde mich wieder.«
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