Todtstelzers Krieg
Selbstzerstörungseinrichtung zu installieren, als noch Zeit dazu gewesen war. Sie
hatten es immer und immer wieder verschoben, weil es wichtigere Dinge gegeben hatte.
Ringsherum herrschte ein wütender, ohrenbetäubender Lärm
mit einem Hauch von Panik darin. Stahl ignorierte die Rufe
und Schreie und machte sich auf den Weg nach draußen. Er
blickte nicht ein einziges Mal zurück. Jetzt warteten andere
Aufgaben auf ihn. Er war Mitglied des amtierenden Stadtrates,
und er mußte sich mit den anderen Räten treffen und die Verteidigung Nebelhafens organisieren – oder das, was davon
noch übrig war.
Auf den Straßen herrschte Chaos. Menschen rannten durcheinander und schoben und drängten in alle Richtungen zugleich. Stahl setzte seine Körpermassen ein, um sich einen
Weg durch das Gedränge zu bahnen. Er fühlte sich ein wenig
besser, nun, da er etwas tun konnte und ein Ziel vor Augen
hatte. Wenn es ihm nur gelang, bis zum Schwarzdorn vorzudringen … vielleicht konnte er den angreifenden Truppen doch
noch ein paar wirklich unangenehme Überraschungen bereiten.
Es dauerte fast eine Stunde, bis er sich durch die Menschenmenge vorgearbeitet hatte. Die Nachricht von der Landung des
Imperiums war nach außen gedrungen – unvermeidlich in einer
Stadt wie Nebelhafen –, und die Straßen waren ein einziger
Hexenkessel. Leute schrien und rannten durcheinander und
schwangen Waffen, angefangen bei Disruptoren bis hin zu antiken Klingen, die von Generation zu Generation für einen Tag
wie diesen weitergereicht worden waren. Einige hielten trotzige Reden; andere prophezeiten den Untergang, und Möchtegernkampfer und Flüchtlinge versuchten, sich gegenseitig aus
dem Weg zu schieben. Hier und dort wurden bereits Straßenbarrikaden errichtet und verursachten weiteres Gedränge und
neue Panik. Taschendiebe und Beutelschneider hatten die beste
Zeit ihres Lebens. Das hier war immer noch Nebelhafen.
Weder drohende Invasion noch Mord und Totschlag konnten
verhindern, daß die Einwohner jedwede Möglichkeit nutzten,
Geld zu machen. Stahl stürmte mit gesenktem Kopf voran.
Als er endlich den Schwarzdorn erreichte, mitten im Zentrum
des Diebesviertels, war die Taverne schon bis zum Bersten
überfüllt . Helles Licht fiel aus den Fenstern auf die Straße . Der
Laden gab eine hervorragende Zielscheibe ab .
Die meisten Angehörigen des Rates waren bereits eingetroffen; doch sie waren zu sehr damit beschäftigt, sich gegenseitig anzuschreien und zu streiten, um Stahls Ankunft zu
bemerken. Typisch, dachte Stahl und ließ sie mit sich allein.
Erschöpft schob er sich bis zu der langen Holztheke vor. Er
brauchte jetzt einen harten Drink. Zur Hölle mit seinen Magengeschwüren.
Cyder, die Inhaberin, half persönlich hinter der Theke aus.
Stahl bestellte gleich mehrere große Brandys bei ihr, alle im
gleichen Glas, weil es vielleicht einige Zeit dauern würde, bis
er Nachschub bestellen konnte. Cyder zuckte unmerklich die
Schultern und schüttete Stahls Brandys allesamt in einen großen silbernen Krug. Sie grinste ihn breit an.
»Hätte ich gewußt, daß die Katastrophensitzungen des Rats
so gut fürs Geschäft sind, hätte ich meinen Laden schon längst
freiwillig dafür zur Verfügung gestellt«, sagte sie.
»Das ist wieder einmal typisch für Euch, Cyder«, erwiderte
Stahl. »Die Stadt steht vor der Vernichtung, und wir mit ihr,
und Ihr denkt an nichts arideres als an Euren Profit.«
Cyder bedachte ihn mit einem koketten Augenaufschlag.
»Eine junge Frau muß eben immer darauf achten, daß sie ihr
Auskommen hat …«
»Bitte, hört auf damit«, unterbrach Stahl. »Es sieht unecht
aus.«
Cyder zuckte die Schultern. »Wer auch immer in Nebelhafen
das Kommando hat, die Leute wollen trinken. Und Geld von
einem Soldaten ist genausogut wie das von jedem anderen
auch.«
»Immer vorausgesetzt, sie brennen den Schwarzdorn nicht
bis auf die Grundmauern nieder, weil hier die Katastrophensitzungen des Rates stattgefunden haben«, entgegnete Stahl und
nahm einen tiefen Schluck aus seinem Becher.
»Verdammt!« schimpfte Cyder . »Daran hatte ich noch gar
nicht gedacht. Warum habt Ihr Euch überhaupt mein Etablissement ausgesucht?«
»Weil es zentral liegt, Cyder. Weil niemand in einer Absteige
wie dieser hier nach dem Rat suchen wird. Und weil Ihr praktisch jeden Bewohner der Stadt kennt. Eine perfekte Kombination, wie Ihr sicher zugeben werdet. Ich an Eurer Stelle würde
noch ein paar Fässer aus dem Keller
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