Todtstelzers Krieg
geworden zu sein. Die Geräusche der Schlacht waren weit
entfernt . Es schien fast so, als hielte die Welt den Atem an, um
abzuwarten, was als nächstes geschah.
Owen erhob sich auf ein Knie, schwankte schwach und
zwang sich schließlich auf die Beine, indem er sich an der beschädigten Wand abstützte . Teile toter Soldaten, zerrissen, verbrannt und miteinander verschmolzen, lagen überall auf der
Straße verteilt und markierten so den Weg, den der Strahl der
Kanone genommen hatte. Zwei Marineinfanteristen und ein
Offizier standen hinter der auf Owen gerichteten Kanone, die
sich laut summend für den nächsten Schuß auflud. Die drei
Soldaten schienen auf etwas hinter Owen zu starren, und er
drehte sich langsam um. Er entdeckte das Loch in der Wand,
wo Hazel gestanden hatte, und er wußte sofort, was das zu bedeuten hatte. Er legte den Kopf in den Nacken und stieß einen
Schrei voller Wut und Schmerz aus, der von den Wänden
ringsum widerhallte.
Hoch über ihm schwebte eine Kamera und filmte alles. Tobias Shreck und sein Kameramann Flynn waren auf ihren Streifzügen auf Chevrons Soldaten getroffen, und da der Verband in
Richtung Stadtzentrum unterwegs war, hatten sie sich ihm angeschlossen. Unglücklicherweise hatte sich Chevron als genauso unausstehlich erwiesen wie ihr offizieller Sicherheitsoffizier, Leutnant Ffolkes. Aber er ließ sie wenigstens in Frieden
arbeiten, solange es gute Aufnahmen vom Vormarsch der Imperialen und ihren Siegen zu filmen gab – wie zum Beispiel die
Gefangennahme und anschließende Exekution dieses höchst
bekannten Verräters und Gesetzlosen: Owen Todtsteltzer.
Tobias konnte sein Glück kaum fassen. Einer der großen
Wendepunkte der Geschichte, und er war genau zum richtigen
Zeitpunkt an Ort und Stelle. Er hatte den Todtsteltzer im gleichen Augenblick erkannt, als er ihn zum ersten Mal gesehen
hatte. Für viele Menschen im Imperium war der Todtsteltzer
zum Inbegriff der Rebellion geworden, und inzwischen er war
fast genauso berühmt wie der legendäre Rebell Jakob Ohnesorg. Aus der Nähe betrachtet, sah der Todtsteltzer vollkommen anders aus, als Tobias ihn sich vorgestellt hatte. Er war
weder hochgewachsen noch breitschultrig; aber trotzdem hatte
er etwas an sich – eine Aura von Größe und Erhabenheit. Irgendwie wußte man augenblicklich, daß man einem Mann gegenüberstand, der das Schicksal des Imperiums in Händen
hielt. Und doch stand er nun hier: besiegt , auch wenn das Imperium eine ganze Armee dazu gebraucht hatte. Der letzte Widerhall seines verzweifelten Schreis war noch nicht verklungen, ein schreckliches, furchteinflößendes Geräusch, das Tobias einen Schauder über den Rücken jagte. Es war der Schrei
eines mächtigen Tieres, des letzten seiner Art, gejagt und in die
Enge getrieben. Und es war ein wilder Schwur, Tod und Verwüstung und Blut, der Schrei eines Mannes, der nichts mehr zu
verlieren hatte. Der Todtsteltzer senkte den Kopf und starrte
die Soldaten an, die gegen ihn aufmarschiert waren. Tobias
stockte der Atem. Der Todtsteltzer, ein einzelner Mann in blutgetränkter Kleidung, war mit einemmal das gefährlichste und
furchteinflößendste Wesen, das Tobias je gesehen hatte. Ihm
war, als stünde er einem heraufziehenden Sturm im Weg, einer
machtvollen, unaufhaltsamen Naturgewalt. Tobias schluckte
mühsam, doch er wich nicht zurück. Er war hier, um zu sehen,
wie eine Legende ihr Ende fand. Flynn regte sich unruhig neben ihm.
»Was ist los mit dir?« erkundigte sich Tobias, ohne den Blick
von der Szene abzuwenden. »Erzähl mir nicht, daß wir das
alles nicht filmen?«
»Jedenfalls bekomme ich nicht alles drauf«, antwortete Flynn
leise. »Hier ist irgendeine Art von Energie, die die Systeme
meiner Kamera stört. Ich will verdammt sein, wenn ich wüßte,
was das ist. Ich habe so etwas noch nie im Leben gesehen; aber
es scheint, als sei sie um den Todtsteltzer herum konzentriert.«
»Behalt deine Spekulationen für dich, Flynn. Kommt das
Bild deutlich durch oder nicht?«
»Ja, aber …«
»Dann geh auf Liveübertragung. Das gesamte Imperium wird
das hier sehen wollen. Verdammt, wir haben vielleicht ein
Schwein! Sie werden diese Aufnahmen noch in zwanzig Jahren
wiederholen!«
»Ich habe ihn«, sagte Flynn. »Der arme Bastard.«
Owen Todtsteltzer blickte sich beinahe gelangweilt um. Er
war gefangen in einem schmutzigen Hinterhof, umgeben von
Toten und Sterbenden, und er stand einer Armee Imperialer
Truppen mitsamt einer
Weitere Kostenlose Bücher