Todtstelzers Krieg
Schlachten gekämpft, und er hatte Verwundungen überlebt, die
jeden geringeren Mann getötet hätten. Er war schon so oft der
drohenden Niederlage entgangen, und nun fing wieder alles
von vorne an.
Owen hatte sich nie nach dieser Art von Leben gesehnt. Er
hatte nie ein Held und Führer und die Hoffnung der Menschheit sein wollen. Er war ein Gelehrter, kein Kämpfer. Und
trotzdem ging er immer wieder dorthin, wo er gebraucht wurde, und immer und immer wieder warf er sich mitten ins dichteste Schlachtgetümmel, weil es außer ihm niemanden gab …
Er war der Todtsteltzer, und er würde das Gesicht nicht vor der
Schlechtigkeit des Imperiums abwenden, genausowenig wie
vom Leid der Unschuldigen. Er würde sich der Übermacht seiner Gegner stellen und wieder einmal im letzten möglichen
Augenblick triumphieren … oder vielleicht doch nicht.
Gleichwie, er war die ganze Sache verdammt leid.
Owen stand Rücken an Rücken mit Hazel und hieb alles nieder, was sich ihm entgegenstellte. Er war auf dem Gipfel seiner
im Labyrinth des Wahnsinns gewonnenen Fähigkeiten: Er war
schnell, stark und tödlich weit über das menschliche Maß hinaus, und zum ersten Mal fragte er sich, ob das genug war. Die
Flut der Angreifer schien kein Ende nehmen zu wollen. Ohnesorg und der Rest der kleinen Rebellenstreitmacht waren im
Kampfgetümmel davongespült worden, und Owen und Hazel
waren wie schon so oft wieder auf sich allein gestellt. Und so
machtvoll sie auch sein mochten, sie waren nur zu zweit, und
das Imperium hatte eine Armee. Marineinfanteristen stürmten
aus allen Richtungen heran, endlose Wellen kampfbereiter
Männer, vorangetrieben von Offizieren, die ihnen sofort in den
Rücken schießen würden, sollten sie sich zur Flucht wenden.
Die Soldaten warfen sich gegen Owen und Hazel, wie ein Ozean gegen einen starrsinnigen Felsen an der Küste brandet, und
Stück für Stück schliff der Feind den Felsen ab.
Owen und Hazel brannten langsam aus. Ihre eigene übermenschliche Energie verzehrte sie von innen heraus. Sie waren
zu stark und zu schnell, und sie verlangten einfach zu viel von
ihren lediglich menschlichen Körpern. Jeder einzelne ihrer
Muskeln schmerzte inzwischen, jeder Nerv schrie, und ihre
Lungen brannten vor Not nach mehr und mehr Sauerstoff .
Der menschliche Körper war einfach nicht dazu geschaffen,
derartige Belastungen auszuhalten. Die Veränderung, die das Labyrinth des Wahnsinns an ihnen vorgenommen hatte, ließ sie
durchhalten, heilte ihre Wunden und ermöglichte es ihnen,
selbst dann noch auf den Beinen zu bleiben und zu kämpfen,
als sie von der gewaltigen Übermacht eigentlich schon lange
hätten bezwungen sein sollen; doch die Anstrengung brachte
sie nach und nach um, und sie wußten es.
Sie waren schließlich nicht dumm.
Owen und Hazel wären augenblicklich davongelaufen, hätte
es nur einen Fluchtweg gegeben oder einen Ort, zu dem sie
hätten rennen können. Doch die Soldaten waren überall, und
mittlerweile gab es in ganz Nebelhafen keine sichere Zuflucht
mehr. Und so kämpften die beiden weiter wie Maschinen. Der
Wille zu überleben war das einzige, was sie noch auf den Beinen hielt. Leichen stapelten sich rings um sie herum und engten
ihre Bewegungsfreiheit zusehends ein. Owen dachte sehnsüchtig an die Macht, die er gegen das Gildenhaus eingesetzt
hatte, um die ehemaligen Spione seines Vaters zu disziplinieren. Er hatte das Haus durch reine Willenskraft geräumt und
niedergerissen; doch jene Willenskraft wohnte längst nicht
mehr in ihm. Er hatte sie in diesem anscheinend endlosen
Kampf vollkommen aufgebraucht.
Und noch während bewaffnete Männer heranstürmten und
über die Leichen der Gefallenen kletterten, um sich auf den
Todtsteltzer und seine Begleiterin zu stürzen, führte Major
Chevron weitere Verstärkungen heran. Die letzten Verteidiger
der Nordseite waren vor seinen Truppen gefallen, und er war
auf dem Vormarsch in Richtung Stadtzentrum, als sein Vormarsch unvermittelt ins Stocken geriet und seine Streitkräfte
nicht imstande waren, sich einen Weg durch den Flaschenhals
zu bahnen, den Owen und Hazel entschlossen verteidigten.
Chevron hätte seine Leute zurückbeordern und durch andere
Straßen schicken können; doch als er sah, wer und was das
Problem verursachte, hatte er sich dagegen entschieden. Inzwischen hatte jeder vom Todtsteltzer gehört, und große Belohnungen zusammen mit noch größeren Privilegien erwarteten
den Mann, der den
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