Todtstelzers Schicksal
bei diesem Gedanken, während er
steif auf dem harten Boden lag und zusah, wie der Atem vor
ihm zu Dampf wurde. Die Garage, die er derzeit sein Zuhause
nannte, war sowohl geheim wie auch sicher, aber es mangelte
ihr vollständig an Komfort, und das entschieden einschließlich
jeder Form von Heizung. Der Winter auf Golgatha war früh
gekommen, als wäre die Lage nicht schon schlimm genug, und
die Nächte wurden bitterkalt. Und Ohnesorg verfügte nur über
seinen Mantel und seinen Zorn , um sich zu wärmen. Er war
jedoch in seinem langen Kampf für Ehre und Rache früher
schon mit schlimmeren Bedingungen fertig geworden.
Er richtete sich langsam auf und zuckte dabei zusammen.
Und er fragte sich, warum er als labyrinthverstärktes und verjüngtes Superwesen trotzdem an den meisten Tagen mit dem
Gefühl erwachte, jemand hätte ihn gerade ausgegraben und
ihm dann die Schaufel über den Kopf gehauen. Er hustete und
spuckte, gerade ein klein wenig länger, als wirklich behaglich
war, und spülte sich den Mund mit dem Rest des Gesöffs von
gestern Abend aus. Schnaps war zur Zeit billiger als sauberes
Wasser und leichter zu finden. Auch wenn er wie Batteriesäure
schmeckte. Am Grund der Flasche fand er einen Wurm, und er
kaute ihn geräuschvoll. Zum Frühstück hatte er nicht mehr als
ein paar Proteinwürfel im Schrank, und er fühlte sich noch
nicht reif, um sich mit ihnen zu begnügen. Langsam stand er
auf und zwang sich, eine Reihe Turnübungen zu absolvieren,
bis der Körper wieder rund lief. Er schnallte sich Pistole und
Schwert um und suchte in den Vorratskisten nach einem Granatengurt. Seine Liste unehrlicher Politiker hatte er erst teilweise abgearbeitet, und er freute sich schon darauf, sie einen
nach dem anderen zur Strecke zu bringen. Das Letzte, woran er
gedacht hätte, war die ehemalige Imperatorin Löwenstein
XIV., auch die Eiserne Hexe genannt, also überraschte es ihn
ganz gehörig, als er plötzlich ihre Stimme in seinem Kopf vernahm.
Hallo, Jakob! Es ist eine Weile her, dass wir miteinander geredet haben, nicht wahr?
»Wahrhaftig«, sagte Ohnesorg und blickte sich verständnislos um, obwohl er bemerkte, dass die Stimme über sein
Komm-Implantat hereinkam. »Wie zum Teufel habt Ihr mich
gefunden? Und meinen privaten Komm-Kanal, was das angeht?«
Ich gehöre jetzt zu Shub. Nichts ist uns verborgen. Wir haben
überall Agenten.
»Netter Versuch, aber nein. Falls Ihr mich so leicht ausfindig
machen könntet, hättet Ihr inzwischen jemanden geschickt, um
mich zu töten.«
Warum sollten wir Euch töten wollen, Jakob, wo Ihr doch so
Wunderbares leistet und Schrecken und Mutlosigkeit unter Euren Mitmenschen verbreitet? Aber wie es sich trifft, habt Ihr
völlig Recht; Ihr habt Euch sehr gut versteckt. Ihr habt Euch
jedoch verraten, als Ihr den Untergeist betratet. Dieser Ort ist
ein Mysterium für uns; wir gewinnen nur schwache Eindrücke
von ihm, und dort hausen auch Dinge, die anzublicken wir
nicht wagen. Als jedoch Ihr und die anderen Eurer Art dort
erschienen seid, habt Ihr geleuchtet wie Sterne. Und als Ihr
wieder gegangen seid, zogt Ihr eine Spur, der wir folgen konnten. Also dachten wir uns, wir könnten dieses kleine Schwätzchen führen. Es macht Euch doch nichts aus, oder?
»Welches Gesprächsthema könnten wir schon haben?«, fragte Ohnesorg.
Ihr seid jetzt offiziell ein Feind der Menschheit, Jakob, genau
wie wir. Und das nach allem, was Ihr für sie getan habt! Aber
andererseits habt Ihr nie zur gewöhnlichen Masse gepasst, so
wenig wie ich. Wir beide waren Anführer und hatten eine Vision vom Imperium und davon, wie es aussehen sollte, und wir
beide mussten miterleben, wie diese Vision von kleineren Geistern verraten wurde. Ihr schuldet den Leuten nichts mehr,
Jakob. Sie waren Eurer nicht würdig. Ihr habt immer wieder
Euer Leben für sie aufs Spiel gesetzt und ihnen schließlich dazu
verholfen, sich selbst regieren zu können – und musstet dann
erleben, wie Euer großer Traum von kleinlichem Eigeninteresse zerstört wurde. Ich hatte es Euch gleich sagen können, Jakob. Die Menschen taugen einfach nichts. Sie werden immer
jemanden brauchen, der das Denken für sie übernimmt. Der
die Träume träumt, zu denen sie nicht fähig sind.
»Kommt endlich zur Sache, Löwenstein.«
Sehr gut. Ich schlage ein Bündnis vor. Eine begrenzte Partnerschaft zwischen Euch und mir, um bestimmte, genau umrissene Ziele zu erreichen. Natürlich nichts, was mit dem Krieg
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