Todtstelzers Schicksal
von der Decke, als sie sich
allmählich senkte.
»Was ist das?«, fragte Hazel. »Was geschieht hier?«
»Dieser Ort hat nur existiert, weil die Blutläufer an ihn
glaubten«, erklärte Owen. »Unterstützt von der Kraft des
Sommersteins. Jetzt sind sie alle tot, und er schwindet dahin;
die Realität dieses Ortes löst sich auf! Wir müssen hinaus, ehe
er vollständig verschwindet und uns mitnimmt!«
Sie rannten durch die bebenden steinernen Korridore, Owen
voraus. Er spürte die Position der Sonnenschreiter III , aber die
endlosen Korridore wanden und verdrehten sich vor ihm, als
wollten sie ihn an der Flucht hindern. Er schrie Oz zu, er solle
das Triebwerk warm laufen lassen, und legte so viel Tempo
vor, wie er nur wagte. Hazel hatte eine Menge durchgemacht,
und es hatte sie viel gekostet. Aber noch während sie durch die
Flure rannten, verschwanden schon die ersten Abschnitte des
grauen Gemäuers, als von allen Seiten das Nichts herankroch.
Löcher tauchten in Wänden und Decke und Boden auf, leere
Stellen, die zu betrachten Owen und Hazel nicht ertrugen, denn
was dahinter lag, war einfach zu entsetzlich, als dass der
menschliche Verstand darüber hätte nachdenken können. Nur
die nähere Umgebung von Owen und Hazel behielt überhaupt
einen Zusammenhalt, weil sie beide real genug waren, um eine
Zeit lang eine kleine eigene Welt aufrechtzuerhalten. Ohne den
Sommerstein reichte ihre Willenskraft jedoch auf Dauer nicht,
und das Nichts rückte von allen Seiten unerbittlich heran, nagte
an der Umgebung und kam mit jedem Augenblick näher.
Der Boden unter ihren Füßen fühlte sich zunehmend weniger
massiv an, und die Decke sackte Zentimeter für Zentimeter
weiter ab. Die Wände flatterten wie Vorhänge in einer Brise,
und einer nach dem anderen verschwanden die Menschenarme
und nahmen die Beleuchtung mit. Owen packte Hazel am Arm
und zwang sie, schneller zu laufen, zerrte sie fast hinter sich
her, während sie nach Luft schnappte. Und endlich erreichten
sie das Gemach, in dem die Sonnenschreiter III parkte und beruhigend solide und real wirkte. Sie liefen auf die offene Luftschleuse zu, ohne einen Blick zurück auf die Leere zu werfen,
die sie förmlich an ihren Fersen spürten. Sie sprangen über
Löcher im Boden hinweg, hasteten in die Luftschleuse,
schlossen die Luke hinter sich und rannten zur Brücke.
»Oz!«, brüllte Owen. »Können wir starten?« »Gib mir ein
Ziel an, und wir fliegen hin«, antwortete die KI. »Meinen Sensoren zufolge existiert nur noch dieses Gemach. Gott allein
weiß, wohin es uns verschlägt, falls ich den Hyperraumantrieb
starte. Das hier ist nicht unser Universum, Owen.«
Owen und Hazel stolperten auf die Brücke, fielen auf ihre
Sitze und rangen nach Luft. Und von irgendwo draußen hörten
sie eine Stimme. Später konnten sie sich nie mehr richtig erinnern, was sie gesagt oder wie sie geklungen hatte, nur dass sie
das Ende aller Dinge bedeutete. Die Stimme , die am Ende des
Universums erklingt, wenn alles, was besteht, zu Staub werden
muss und zu weniger als Staub.
»Starte den Hyperraumantrieb!«, schrie Owen und suchte in
Gedanken verzweifelt nach dem Tor, das er geöffnet hatte, um
die Sonnenschreiter III in die Welt der Blutläufer zu lenken.
Die Triebwerke tosten und das Schiff bebte, als das Tor wieder
in Owens Gedanken auftauchte, in jedem Detail perfekt. Owen
hielt es offen und steuerte das Schiff hindurch. Die Stimme schrie auf, und die Welt aus Stein ging für immer dahin.
Die Sonnenschreiter III fuhr gelassen durch den normalen
Weltraum, umhüllt von Sternen. Owen und Hazel saßen weiterhin zusammengesunken auf ihren Sitzen und kamen allmählich wieder zu Atem, während auch ihr Puls auf ein Niveau
herunterging, das eher als normal gelten konnte. Sie waren
wieder dort, wo sie hingehörten, in Sicherheit und gesund, und
das war ein so schönes Gefühl, dass sie sich beinahe fürchteten,
sich zu bewegen oder zu reden und dadurch die Stimmung zu
gefährden. Ihre besonderen Kräfte hatten sich auch zurückgemeldet, nachdem ihnen der Sommerstein eine Starthilfe verpasst hatte. Vielleicht waren sie nicht wieder ganz so machtvoll
wie früher, aber Owen und Hazel empfanden die Zuversicht,
dass ein bisschen Zeit und Ruhe auch dafür noch sorgen würden. Sie waren auf einer Reise, um sich in etwas anderes zu
verwandeln, und wussten, dass der Prozess der Umwandlung
noch keineswegs abgeschlossen war.
»Tut mir leid, euren Kollaps zu
Weitere Kostenlose Bücher