Todtstelzers Schicksal
Reporter wäre erstaunt gewesen, falls Jakob Ohnesorg und
Ruby Reise sämtliche Wachleute getötet und das Schiff leer
zurückgeschickt hätten.
Die Hauptluftschleuse öffnete sich plötzlich, und die Reporter traten rasch vor, um der Luke gegenüber die besten Positionen zu ergattern, während ihre Schwebekameras es in der Luft
ausfochten und oft auf heftiges Schubsen zurückgriffen, um die
Rangfolge zu etablieren. Die Schleuse stand mehrere Sekunden
voller lautloser Spannung offen, ohne dass sich etwas rührte;
dann stieg ein einzelner Hauptmann der Wachmannschaft auf
den Landeplatz herunter. Er nickte den Journalisten müde und
mit grimmiger Miene zu.
»Jakob Ohnesorg und Ruby Reise möchten bekannt machen,
dass sie nicht in bester Stimmung sind und alle zudringlichen
Fragen als persönliche Beleidigungen aufzufassen gedenken.
Jeder, der ihnen wirklich zusetzen möchte, sollte vorher seine
nächsten Anverwandten informieren. Beide möchten ein paar
Dinge sagen, aber Ihr werdet auf den Rest warten müssen, bis
sie mit dem Parlament gesprochen haben. Hat das jeder verstanden?«
Ein gewisses Maß an verwirrtem Kopfnicken breitete sich
aus, und es gab nicht wenige Seitenblicke. Dann trat Thompson
von der Golgatha Times vor. Er war ein großer, schlaksiger
Typ mit durchdringendem Blick und hatte schon über alles
Mögliche berichtet, von Kriegen bis hin zu Klatsch und Tratsch
von Löwensteins Hof, und es gab nicht mehr viel, wovor er
sich fürchtete. »Ein paar kleine Fragen, Hauptmann. Zunächst:
Warum tretet Ihr als ihr Laufbursche auf, obwohl man Euch
und Eure Kameraden geschickt hat, um Ohnesorg und Reise
unter despektierlichen Bedingungen zurückzuholen? Und zweitens: Solltet Ihr nicht irgendeine Form von Bewaffnung tragen?«
Die übrigen Reporter betrachteten Halfter und Scheide an
den Hüften des Hauptmanns, beide leer. Er räusperte sich unglücklich. »Sir Ohnesorg hat uns alle gezwungen, unsere Waffen abzugeben. Er fand sie … beunruhigend.«
Während die Reporter das noch verdauten, kamen einhundert
weitere Wachleute schweigend aus der Luftschleuse marschiert. Keiner war bewaffnet, und die meisten wirkten demoralisiert, geknickt oder, in manchen Fällen, regelrecht nervös.
Alle wichen sie sorgfältig den Blicken der Reporter aus, während sie beiderseits der Luftschleuse je eine Reihe bildeten und
dann Haltung annahmen, als Jakob Ohnesorg und Ruby Reise
schließlich ausstiegen. Die Kameras machten sofort Nahaufnahmen ihrer Gesichter, über die Komm-Implantate an die
Journalisten übermittelt, aber die beiden Überlebenden des Labyrinths sahen im Großen und Ganzen so aus wie immer.
Außer vielleicht etwas kälter um die Augen. Ohnesorg und
Ruby blieben vor der versammelten Pressemeute stehen, die
sich plötzlich eines kollektiven Drangs erwehren musste, mehrere Meter zurückzuweichen. Der Mann und die Frau vor ihnen
hatten schon immer einen gefährlichen Eindruck gemacht, aber
jetzt hatten sie noch etwas an sich, was entschieden beunruhigend wirkte. Sie schienen Leute zu sein, die nicht mehr daran
interessiert waren, Gefangene zu machen. Die Reporter musterten die deprimierten Wachleute und mussten schwer schlucken.
Was immer passiert war, um sie in diesen Zustand zu versetzen
– die Journalisten waren sich verdammt sicher, dass sie nicht
das Gleiche erleben wollten. Ohnesorg ließ den Blick über sie
wandern, ohne zu lächeln.
»Wo ist Toby Shreck? Ich dachte, er würde hier sein. Der
einzige verdammte Journalo, für den ich je Zeit hatte.«
Wieder fand nur Thompson die Stimme. »Er und Flynn berichten über die bevorstehende königliche Hochzeit. Er hat die
Exklusivrechte dafür.«
»Ah«, sagte Ruby. »Sie machen also immer noch weiter mit
diesem Blödsinn, dieser konstitutionellen Monarchie, was?
Wie geht es Konstanze und Owen?«
Die Reporter rührten sich und sahen sich gegenseitig an. »Ihr
habt noch nichts gehört?«, fragte Thompson.
»Was denn gehört?«, fragte Ruby. »Wir waren beschäftigt.«
»Owen Todtsteltzer und Hazel D’Ark werden vermisst und
sind wahrscheinlich tot«, berichtete Thompson langsam. »Konstanze Wolf heiratet stattdessen Robert Feldglöck.«
Die Schwebekameras surrten unisono, als sie sich auf Nahaufnahmen konzentrierten. Ohnesorg und Ruby sahen einander
an.
»Sie können nicht tot sein«, sagte Ohnesorg schließlich. »Das
können sie einfach nicht! Ich wüsste es … Ich bin sicher, dass
ich es wüsste, falls sie es
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